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Man of Steel

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Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist ein Reboot. Sieben Jahre nach Bryan Singers verkanntem Superman Returns schickt Warner Bros. nun Stümper Christopher Nolan los, nach seiner drögen Batman-Trilogie auch noch Superman, Amerikas ureigensten Superheld, zu verhunzen. Die Rechnung ging natürlich auf und so durfte Zack Snyder, der schon an Watchmen scheiterte, nun dieses unspannende CGI-Action-Gewitter inszenieren, in dem das Publikum zum x-ten Mal eine bereits bekannte Origin-Story serviert bekommt, ehe zwei Stunden lang ein und dieselbe Actionszene bis zur Unendlichkeit gemolken wird. Warum Man of Steel ziemlich in die Hose geht, hab ich ausführlich auf MovieMaze erörtert.

4/10

The Last of Us

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You make every shot count.

Mit Zombies, zumindest der alten Romero’schen Schule, ist es so, dass sie individuell relativ harmlos sind, als Masse jedoch riskant daherkommen. Ähnlich könnte man es mit Filmen und anderen Geschichten halten, die sich Zombies oder Zombie-ähnlicher Antagonisten (meist als „Infizierte“ gebrandmarkt) bedienen. Nach 28 Days/Weeks Later, Dawn of the Dead, Zombieland, Warm Bodies, World War Z und The Walking Dead ist das Genre selbst ein fast nicht tot zu kriegender Zombie geworden. Weshalb es nicht überrascht, dass das post-Zombie-apokalyptische Szenario vermehrt Einzug in die Spielwelt gewinnt. Aktuell der Fall in The Last of Us, dem angeblichen neuen PlayStation-3-Referenzspiel von Naughty Dog.

Darin wird die Welt – zumindest jedoch die USA – im Jahr 2013 von einer Cordyceps-Pandemie heimgesucht. Parasitische Pilze, die sich im Gehirn der Infizierten einnisten und diese als Wirt missbrauchen. In Austin, Texas muss unser Held Joel (Troy Baker) am Abend des Krankheitsausbruchs mit persönlichen Verlusten klarkommen, ehe die Handlung 20 Jahre in die Zukunft und an die Ostküste nach Boston springt. Inzwischen in einer vom Militär regierten Quarantänezone als Plünderer lebend, werden Joel und seine Partnerin Tess (Annie Wersching) von Firefly-Widerstandskämpferin Marlene (Merle Dandridge) engagiert, um die 14-jährige Ellie (Ashley Johnson) an Militär und Infizierten vorbei aus der Stadt zu schmuggeln.

Nicht alles verläuft dabei nach Plan und schon bald sieht sich Joel, der von dem ganzen Plan ohnehin von Anfang an nichts gehalten hat, alleine für Ellie verantwortlich. Nun gilt es, diese durch das Land zur University of Eastern Colorado zu eskortieren, wo die Fireflies angeblich ihr letztes Hauptquartier hatten. Denn es zeigt sich, dass Ellie gegen den Cordyceps-Befall immun und dabei womöglich die Rettung der Menschheit ist. Weil die USA jedoch nicht nur von den Infizierten befallen sind, sondern auch an jeder Ecke kriminelle Banden lauern, muss Joel öfter als ihm lieb ist seine Stealth- und Shooter-Qualitäten unter Beweis stellen. Immer Ausschau haltend nach Material, um Nagelbomben und Molotow-Cocktails zu basteln.

Atmosphärisch dicht kam der Trailer zu The Last of Us daher, passend dazu fiel das Lob der Gaming-Seiten aus – so zückte unter anderem IGN die Höchstwertung. Inhaltlich ist Naughty Dogs jüngstes Abenteuer ein Amalgam verschiedener anderer Werke. Cormac McCarthy wurde als Inspiration genannt, sein The Road gemeinsam mit P.D. James’ Children of Men, I Am Legend und Telltale Games’ The Walking Dead sind vermutlich mit die offensichtlichsten Parallelen, die man als Spieler ausmachen dürfte. Aber auch Enslaved: Odyssey to the West ruft einige Erinnerungen auf den Plan, ebenso wie optisch Naughty Dogs eigene Uncharted-Trilogie oder vom Gameplay her ähnliche jüngere Spiele wie Tomb Raider.

So erwehrt man sich der Infizierten meist im Shooter-Stil, wobei auch die Option besteht, sie im Stealth-Modus einzeln auszuschalten. Letzterer wird primär auf den Plan gerufen, wenn es gilt, die Milizen oder Räuberbanden zu überwältigen. Von Erwürgen bis Erdolchen sind der Fantasie dabei keine Grenzen gesetzt – bei Vollinfizierten, so genannte blinde und daher auf Geräusche angewiesene “Clickers”, ist Körperkontakt dagegen nicht zu empfehlen. Mittels Zucker, Scheren und Alkohol kann dann wahlweise ein Medikit oder eine Splitterbombe gebastelt werden – worauf der Spieler eben mehr Wert legt. Außerdem lassen sich auch Jagdgewehr, Shotgun, Bogen, Revolver, Flammenwerfer und Co. aufrüsten und modifizieren.

Das alles kennt man von anderen Spielen, eben nicht zuletzt Tomb Raider. Das Gameplay von The Last of Us erfindet das Rad somit alles andere als neu, vielmehr kommt wohl kaum noch ein Action-Adventure-Game ohne Stealth-Modus aus. Gerade für Spieler, die durch Uncharted, Far Cry 3 und Konsorten erprobt sind, hält Naughty Dog kaum Überraschungen bereit. Auch die zusammengeklaubte Geschichte will nie so richtig zünden. Der Zeitsprung von 20 Jahren ist hart, was es für eine Figur wie Tess nicht leichter macht. Wieso man dem Militär nur an der Ostküste begegnet, ob es noch eine Regierung gibt und was die Fireflies eigentlich wollen, vermag nur herauszufinden, wer jede der zahlreichen Notizen sucht und liest.

Im direkten Vergleich schneidet Handlungstechnisch jedenfalls Telltale Games’ The Walking Dead besser ab, da die Beziehung zwischen Spieler und kleinem Mädchen eindringlicher gestaltet wurde und das Spiel darauf basierte, dass die Entscheidungen des Spielers nicht nur einen Einfluss auf den Spielverlauf haben, sondern auch auf die Reaktion der Figuren. The Last of Us folgt dagegen linear einer vorgefertigten Handlung: Getötet werden muss, wer eben getötet werden muss – eine Wahl hat man meist nicht. Viel Potential wurde verschenkt, indem man hier und da einfach mal nicht auf Gegner oder Infizierte verzichtet hat, um die verwucherte, verlassene post-apokalyptische Welt richtig auf einen wirken zu lassen.

Das Potential des Spiels ist bisweilen zu erkennen – zum Beispiel bei einer Rettungsaktion in einer Geisterstadt inmitten eines Schneesturms –, nur wird es selten wirklich ausgeschöpft. Stattdessen folgt stets die nächste Welle an Infizierten, Clickers, Milizen und Kannibalen, die man erwürgen, -dolchen, -schlagen, in die Luft jagen oder erschießen muss. Obschon The Last of Us somit gut aussieht (es erinnert an die Uncharted-Serie), tolle Set Pieces beinhaltet und im Lauf der Zeit die Beziehung von Joel und Ellie den Spieler einnimmt, ist das Spiel kaum als Meisterwerk und nicht einmal als Referenzspiel zu bezeichnen. Zu ähnlich ist es dafür den Konkurrenten der jüngeren Vergangenheit, zu viel Originalität lässt es vermissen.

Die musikalische Untermalung von Gustavo Santaolalla, die den Fokus auf die Emotionalität der Geschichte zu legen versucht, will dabei nicht so recht zum Spiel passen. Dafür ist das Tempo der Action zu enorm. Wirklich zur Ruhe kommt das Game nur in den Cut Scenes, die man aber nicht spielen kann und die zudem – dadurch, dass sich das Spiel für seine Story nur bei bekanntem Material bedient – ohnehin vorhersehbar sind. The Last of Us ist somit selbst in gewisser Weise von Parasiten befallen, die seinen Weg vorherbestimmen. Mehr Mut zur Eigenständigkeit, wie beispielsweise von Team Ico an den Tag gelegt, hätte nicht geschadet. Entsprechend liegt die Game-Hoffnung auf deren angekündigtem The Last Guardian.

7.5/10

Die Top 5: The Shield

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Good cop and bad cop have left for the day. I’m a different kind of cop.

Der Polizei- bzw. Kriminalfilm besitzt sein ganz eigenes Genre, im Fernsehen gerne auch “police procedural” genannt. Von Kojaküber Miami Vice bis hin zu Law & Order werden seit über 40 Jahren die Erlebnisse der Gesetzeshüter in Amerikas Großstädten erzählt. In den vergangenen Jahren ging der Trend mehr hin zum Realismus, Serien wie The Wire versuchten sich als sozio-kultureller Kommentar darzustellen, andere Shows wie The Shield eher als eine Tragödie mit shakespeareschen Anleihen. Letztere, von Shawn Ryan konzipierte Serie, lief von 2002 bis 2008 auf dem Kabelkanal FX und erzählt von einer Einheit korrupter weißer Ermittler in einem Minoritäten-Stadtteil von Los Angeles.

Vic Mackey (Michael Chiklis) leitet die Sondereinheit des Strike Teams, das sich auf die Gangs im Viertel spezialisiert. Mit seinem Team (Walton Goggins, Kenneth Johnson, David Rees Snell) legt er das Gesetz jeden Tag aufs Neue selbst aus, was ihn bei seinem Vorgesetzten, David Aceveda (Benito Martinez), in Misskredit gebracht hat. Mackey macht Deals mit Drogenhändlern, unterschlägt hier und da etwas Geld und wendet bereitwillig Gewalt an, um seinen Standpunkt klarzumachen. Von Kollegen wie der Streifenpolizistin Danny Sofer (Catherine Dent) wird das akzeptiert, von Ermittlerin Claudette Wyms (CCH Pounder) geduldet und von ihrem Partner ‘Dutch’ Wagenbach (Jay Karnes) eher missbilligt.

Nun erzählt The Shield nichts, was man nicht bereits anderswo gesehen hätte. Egal ob Colors oder die Filme von Polizei-Fan David Ayer wie End of Watch oder Street Kings, alle sind voll von Rassenunruhen, Korruption und Straßengangs in Los Angeles. Letztlich ist The Shield somit eine Polizeiserie von vielen, auch wenn Blogger-Kollegen wie Bullion („Eine mitreißende und schockierende Cop-Serie“) oder Stefan Rybkowski das anders sehen. Dabei legt die Serie durchaus Wert darauf, alle ihre Figuren mit Makeln zu versehen – manche mehr als andere. So sind Wyms und Wagenbach von Egomanie zerfressen, während Aceveda (im Serienfinale nicht unpassend “ass invader” ausgesprochen) sogar gänzlich inkompetent ist.

Somit ist die zentrale Identifikationsfigur der amoralische Vic Mackey, ein klassischer guter Polizist, der nebenbei böse Sachen macht. Zum Beispiel – Achtung: Spoiler– direkt zum Ende der Pilotfolge einen von Aceveda angeheuerten Undercover-Cop in der eigenen Einheit hinrichten und es einem Dealer in die Schuhe schieben. Jener Vorfall ist es auch, der letztlich die späteren Entwicklungen der letzten drei Staffeln auslösen und beherrschen wird. Shawn Ryan und Co. zeigen allerdings oft genug, dass Mackey zum einen das Wohl des Viertels am Herzen liegt und zum anderen, dass es zumeist seiner Arbeitsmentalität zu verdanken ist, wenn Verbrechen wie Drive-by-Shootings oder Morde schnell aufgelöst werden.

“I’m the best there is at what I do, but what I do best isn’t very nice”, hatte bereits Wolverine gesagt und diese Selbstdarstellung passt auch auf Mackey (zum Ende der finalen Staffel bezeichnet er sich ohne Umschweife als “action hero”). Er ist fraglos ein tragischer Held à la Macbeth, der sich sein eigenes Grab schaufelt beziehungsweise gleich zu Beginn eine Suppe einbrockt, die er sieben Jahre lang auslöffeln wird. Hinter Mackeys Darstellung stehen die übrigen Figuren leider etwas zurück. Manchen wie Strike Team-Mitglied Ronnie (David Rees Snell) widmet man sich gar nicht, andere wie sein Kollege Shane (Walton Goggins) oder Aceveda stagnieren und Wyms macht irgendwann sogar eine Kehrtwende um 180 Grad.

War ihr zu Beginn Mackeys Art des Polizeidienstes schnuppe (“I don’t judge other cops.”), macht sie am Ende wegen diesem mehr Theater als selbst Aceveda. Dabei ist es sogar Mackey, der von allen am effektivsten in seinem Kommissariat arbeitet. Zuvorderst wird in The Shield jedoch intrigiert, fingiert und kompromittiert. Und wie die Serie das zeigt, ist keinesfalls schlecht, allerdings auch selten wirklich überdurchschnittlich. So ragen aus den 88 Episoden nur sieben Folgen wirklich erkennbar heraus, die fünf besten von ihnen sollen im Folgenden vorgestellt und präsentiert werden. (Leichte) Spoiler lassen sich bei sieben ineinandergreifenden Staffeln jedoch nicht vermeiden, insofern sei “viewer discretion advised”:


5.Back to One(Season 6, Episode 3/Gwyneth Horder-Payton): In seiner Suche nach dem vermeintlichen Mörder eines Freundes und Kollegen verliert sich Vic immer mehr in seiner unkontrollierbaren Rachsucht. Zuvorderst gefällt in dieser Folge jedoch, dass der sonst oft in den Hintergrund gedrängte Ronnie für einen Fall vom Strike Team abgezogen wird und bei der Sprengung eines Drogenrings sein Können zeigen darf.

4.Possible Kill Screen(Season 7, Episode 12/Billy Gierhart): Die vorletzte Episode der Serie drängt Vic mit dem Rücken zur Wand. Angesichts seiner bevorstehenden Entlassung aus dem Dienst und der Gefahr, womöglich alles zu verlieren, entschließt sich Vic im Austausch für seine Kooperation gegenüber der Zollbehörde von dieser mit Immunität für seine Verbrechen ausgestattet zu werden. Die Folge: ein mehrstündiges Geständnis.

3.Mum(Season 3, Episode 5/Nick Gomez): Infolge der Ereignisse zum Ende der 2. Staffel steht das Strike Team unter strenger Beobachtung von Wyms und Aceveda. Letzterer tut sich allerdings damit selbst keinen Gefallen und als er auf eigene Faust Ermittlungen an einem Tatort anstellt, kommt ihm seine fehlende Erfahrung im Polizeidienst zu Schaden. Die Vorfälle dieser Folge werden den Captain zwei weitere Staffeln begleiten.

2.Dragonchasers(Season 1, Episode 10/Nick Gomez): Während Vic seine menschliche Seite zeigt und einer Informantin beim Drogenentzug helfen will, darf Wagenbach sich im Verhör mit einem gerissenen Serienmörder beweisen. Dies stellt Dutch vor seine bisher größte Prüfung, professionell wie psychologisch. Das Resultat ist am Ende neugewonnener Respekt in seinem Dezernat, allerdings auch eine tränenreiche Selbsterkenntnis.

1.Trophy(Season 5, Episode 5/Philip G. Atwell): Die internen Ermittlungen von Jon Kavanaugh (Forest Whitaker) gegenüber Vic und dem Strike Team scheinen nach einer Abhörung von deren Büro zu einem Ende zu kommen. Doch wie sich zeigt, hat Kavanaugh die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn Vic demonstriert auf eindrucksvolle und ausgeklügelte Weise sein Genie – schafft sich damit aber einen unkontrollierbaren Antagonisten.

Filmtagebuch: Juni 2013

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THE ABCS OF DEATH
(USA/NZ 2012, Xavier Gens/Ti West u.a.)
5/10

THE ABYSS[SPECIAL EDITION]
(USA 1989, James Cameron)

4/10

AMER
(F/B 2009, Hélène Cattet/Bruno Forzani)
1.5/10

BESTIAIRE
(CDN/F 2012, Denis Côté)
7/10

CHASING ICE
(USA 2012, Jeff Orlowski)
5/10

DJANGO UNCHAINED
(USA 2012, Quentin Tarantino)
6/10

DUST TO GLORY
(USA 2005, Dana Brown)
4.5/10

FANTASTIC FOUR
(USA/D 2005, Tim Story)
7/10

FANTASTIC FOUR: RISE OF THE SILVER SURFER
(USA/D/UK 2007, Tim Story)
6/10

FIGHT CLUB
(USA/D 1999, David Fincher)
4/10

THE HAPPENING
(USA/IND/F 2008, M. Night Shyamalan)
1/10

THE HOUSE OF THE DEVIL
(USA 2009, Ti West)
7/10

THE INNKEEPERS
(USA 2011, Ti West)
8/10

THE LAST STAND
(USA 2013, Kim Jee-Woon)
5.5/10

LOCKOUT
(F 2012, James Mather/Stephen St. Leger)
5/10

MAN OF STEEL
(USA/CDN/UK 2013, Zack Snyder)
4/10

PAWN STARS - SEASON 2
(USA 2009/10, Jairus Cobb u.a.)
7.5/10

ROOM 237
(USA 2012, Rodney Ascher)
2/10

SHORT CIRCUIT[NUMMER 5 LEBT!]
(USA 1986, John Badham)
6.5/10

SOUTHLAND TALES
(USA/F/D 2006, Richard Kelly)
8/10

STANLEY KUBRICK: A LIFE IN PICTURES
(USA 2001, Jan Harlan)
7.5/10

SUNSET BLVD.[BOULEVARD DER DÄMMERUNG]
(USA 1950, Billy Wilder)

10/10

SUPERMAN
(UK 1978, Richard Donner)
7.5/10

SUPERMAN II
(USA/UK 1980, Richard Lester)
4/10

SUPERMAN RETURNS
(USA 2006, Bryan Singer)
8/10

VEEP - SEASON 2
(USA 2013, Chris Addison u.a.)
7/10

V/H/S
(USA 2012, Ti West u.a.)
4/10

X-MEN: FIRST CLASS[X-MEN: ERSTE ENTSCHEIDUNG]
(USA 2011, Matthew Vaughn)

5.5/10

Werkschau: Stanley Kubrick


DAY OF THE FIGHT[KURZFILM]
(USA 1951, Stanley Kubrick)

7.5/10

FLYING PADRE[KURZFILM]
(USA 1951, Stanley Kubrick)

6.5/10

FEAR AND DESIRE
(USA 1953, Stanley Kubrick)
6.5/10

THE SEAFARERS[KURZFILM]
(USA 1953, Stanley Kubrick)

6/10

KILLER’S KISS[DER TIGER VON NEW YORK]
(USA 1955, Stanley Kubrick)

7/10

THE KILLING[DIE RECHNUNG GING NICHT AUF]
(USA 1956, Stanley Kubrick)

8.5/10

PATHS OF GLORY[WEGE ZUM RUHM]
(USA 1957, Stanley Kubrick)

8/10

SPARTACUS
(USA 1960, Stanley Kubrick)
7.5/10

LOLITA
(UK/USA 1962, Stanley Kubrick)
7/10

DR. STRANGELOVE OR:
HOW I LEARNED TO STOP WORRYING AND LOVE THE BOMB

(USA/UK 1964, Stanley Kubrick)
8/10

2001: A SPACE ODYSSEY[2001: ODYSSEE IM WELTRAUM]
(USA/UK 1968, Stanley Kubrick)

9.5/10

A CLOCKWORK ORANGE[UHRWERK ORANGE]
(UK/USA 1971, Stanley Kubrick)

7.5/10

BARRY LYNDON
(UK/USA 1975, Stanley Kubrick)
7.5/10

THE SHINING
(UK/USA 1980, Stanley Kubrick)
8/10

FULL METAL JACKET
(UK/USA 1987, Stanley Kubrick)
7/10

EYES WIDE SHUT
(UK/USA 1999, Stanley Kubrick)
9/10

Journey

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Der Weg ist das Ziel.
(Konfuzius, *551 B.C. †479 B.C.)

Die Videospiel-Welt von heute ist ähnlich gestrickt wie auch die der Filmlandschaft: Nutzer und Kunden erwartet ein Einheitsbrei. Zuletzt wurde bereits bei The Last of Us von mir kritisiert, dass der Atmosphäre des Spiels viel dadurch genommen wird, weil es sich zu sehr auf Stealth- und Shooter-Elemente konzentriert. Mehr Mut zum originellen Individualismus hatte ich gefordert, wie man ihn von Team Ico kennt. Oder eben von thatgamecompany. Der unabhängige Spielenentwickler warf bereits 2009 mit Flower ein ungewöhnliches Spiel auf den Markt, in dem man in einem Pflanzentraum Blumenblätter mit dem Wind lenkt. Lob von allen Seiten gab es auch im Vorjahr für ihr einzigartiges Erlebnisspiel Journey.

Dieses ist ähnlich wie zuvor Flower oder flOw relativ simpel gehalten. Man spielt eine Figur im roten Burka-Umhang ohne Namen oder sonstige Eigenschaften, mit ihren leuchtenden Augen als prägnantestem Merkmal. Ausgesetzt in einer Sandwüste gilt es, sich zu einem Tempel am Horizont zu begeben, aus dem ein Lichtstrahl gen Himmel schießt. Die Wüste selbst ist lediglich bevölkert von Ruinen, mit Runen verzierten Steinen sowie hier und da fliegenden Tüchern. Gelegentlich trifft man eine andere, ebenfalls in roter Burka gekleidete Figur – oder auch nicht. Abhängig davon, wie viele andere Spieler außer einem selbst ebenfalls aktuell online sind. Gemeinsam oder allein macht man sich dann auf den Weg.

Mehr gibt es nicht. Keine Gegner oder Endbosse, keine Waffenupgrades. Findet man gelb leuchtende Symbole, lässt sich ein Schal am Rücken der Burka verlängern. Mit diesem kann man über kurze Strecken fliegen. Je länger der Schal, desto länger dauert der Flug an. Zudem gibt es steinerne Wandteppiche zu entdecken, die von der Vorgeschichte der Handlung erzählen und über die einen auch eine mysteriöse, in weiß gekleidete Gestalt an Zwischenstationen informiert. Ähnlich wie bei dem Begleiter kann man diese Symbole und Wandteppiche suchen – muss es aber nicht. Alles drei steigert jedoch das Spielvergnügen ungemein, welches mit circa zwei Stunden verhältnismäßig kurz ist. Das sich aber vollkommen lohnt.

Denn Journey ist kein Game, das man spielt, sondern eines, das man erlebt. Das einen fasziniert, mitreißt und emotional ungemein stimuliert. Was erneut umso erstaunlicher gerät, da es so simpel gehalten ist. Während The Last of Us die Figuren Comics finden und ewig diskutieren lässt, um ihnen etwas mehr Tiefe zu verleihen, reduzierte Schöpfer Jenova Chen sein Spiel auf das Rudimentärste: die Humanität seiner Spieler. Trifft man einen anderen Spieler, kann man mit diesem lediglich mittels einer Art Sonarschreis kommunizieren. Und dennoch funktioniert die Kommunikation. Oder auch nicht. Wird per Missgeschick der Schal des Begleiters versehentlich gekürzt, fühlt man sich entsprechend schlecht.

Die Identität des anderen Spielers wird dabei bis zum Ende des Abspanns geheim gehalten. Oftmals ist man in einem Durchgang auch weitaus mehr Spielern begegnet als man gedacht hat. Das Zusammenspiel mit seinem Gegenüber hebt das Erlebnis nochmals auf eine andere Ebene. So geht Multiplayer speziell. So geht Videospiel allgemein. Die grandios animierte Szenerie tut dazu ihr Übriges. Egal ob der Sand gelb oder pink ausfällt, er glitzert, funkelt und badet im Licht der Sonnenstrahlen. Traumhaft ist jene Episode, in der man im Sonnenuntergang durch eine Ruinenstadt rutscht. Aber auch eine spätere Schneelandschaft zeigt die Qualität des Spiels sowohl in visueller als auch in narrativ-logischer Hinsicht deutlich auf.

Abgerundet wird dies durch die kongeniale Musik von Austin Wintory, die die jeweiligen emotionalen Momente passend unterstreicht. Das Einzige, was man Journey vorwerfen könnte, wäre seine kurze Spielzeit. Aber auch nur, weil man sich als Spieler nach noch einem Level sehnt, noch mehr Zeit mit seinem Partner, noch mehr von diesem Erlebnisrausch der in der Videospiellandschaft seinesgleichen sucht. Kaum einer dürfte Journey lediglich ein Mal durchspielen, hier gerät wiederum die kurze Spieldauer zum Vorteil. Jenova Chen und thatgamecompany sind folglich ein würdiger Nachfolger für das tolle Flower gelungen. Die Vorfreude auf das nächste Spiel ist somit groß. Wie die Gewissheit: Es wird kein Einheitsbrei sein.

10/10

Pacific Rim

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I’m a big believer in second chances.

Es gibt sicher bessere Bewerbungszeugnisse als das Drehbuch – oder zumindest die erste Fassung ebendieses – zum katastrophalen Fantasy-Remake Clash of the Titans verfasst zu haben. Da jedoch Louis Leterriers Perseus-Quark ein moderater Kassenerfolg war, der im Vorjahr mit der Fortsetzung Wrath of the Titans bedacht wurde, verwundert es nicht, dass Drehbuchautor Travis Beachem erneut mit einer Geschichte Hunderte Millionen Dollar aus Produzenten herausleiern konnte. Das Ergebnis heißt Pacific Rim und ist ein wenig origineller Versuch, die populäre japanische Anime-Serie Neon Genesis Evangelion soweit als Live-Action-Film zu pervertieren, dass man eine Urheberrechtsklage vermeiden kann.

Hier wie da schlüpfen Menschen also in Riesenroboter, um sich mit riesigen Monstern oder Aliens zu kloppen. Wie Transformers eben, nur mit einem menschlichen Aspekt. Die Idee dahinter ist vermutlich, dass sich mit einem von Menschen kontrolliertem Avatar eher mitfiebern lässt als mit einem außerirdischen Kraftfahrzeug. Statt in Evangelions schlüpfen die Piloten um Held Raleigh Becket (Charlie Hunnam) in Pacific Rim in so genannte Jaeger, die wiederum gegen außerirdische Monster – im Film kaiji genannt, basierend auf dem japanischen Filmsubgenre um Gojira und Konsorten – kämpfen, die durch ein Dimensionsportal am pazifischen Meeresgrund auf unserem Planeten erscheinen und dessen weltweite Invasion anstreben.

Damit eint Pacific Rim viel mit den übrigen Sommer-Blockbustern à la The Avengers oder Man of Steel– Alien-Invasion-Filme als Effektgewitter ohne echte Persönlichkeit. Allerdings ist die Prämisse in diesem Fall relativ simpel, wenn Jaeger und kaiji in ein Rock ‘Em Sock ‘Em-Szenario geschickt werden und man sich an der daraus resultierenden Zerstörungsorgie ergötzen soll. Problematisch wird es im Falle von Pacific Rim dadurch, dass der Film seine simple Prämisse in eine unnötig komplizierte Narration verpackt. So tut sich die Geschichte merklich schwer damit, ihren eigenen Jaeger-Steuerungsmechanismus namens The Drift – wobei zwei Piloten mittels Erinnerungsteilung ihre Psyche verschmelzen – zu verstehen.

Eben aus diesem Talent resultiert die Rekrutierung von Protagonist Raleigh Becket und seinem Bruder. Der richtige Drift-Partner ist entscheidend für die Effizienz und Funktionalität des Jaegers. Das zumindest propagiert der Film über eine Stunde lang, wenn erläutert werden soll, wieso die junge Mako Mori (Kikuchi Rinko) sich so ideal als Partnerin – natürlich in mehr als einer Hinsicht – für Raleigh eignet. Angesichts dieser ausgiebigen Exposition überrascht es durchaus, dass das Konzept für den dritten Akt ausgehebelt wird. Die Ursache liegt an dem Konformitätszwang des Films, der sich stur an gängigen Vertretern seiner Zunft orientiert. Was umso enttäuschender ist, wenn man bedenkt, wer hier Regie geführt hat.

Hinter der Kamera saß kein Louis Leterrier, Jonathan Liebesman oder McG, vielmehr Guillermo del Toro. Gezeichnet von Produktionsverzögerungen sowohl bei The Hobbit: An Unexpected Journey als auch seinem Passionsprojekt At the Mountains of Madness scheint der Mexikaner nach fünf Jahren nach dem erstbesten filmischen Strohhalm gegriffen zu haben, der sich ihm bot. Was seine vorherigen Filme ausgezeichnet hat, fehlt hier vollkommen. Im Audiokommentar des Oscarnominierten El laberinto del fauno nannte del Toro diesen “not a blockbuster movie, not a massive movie but a delicate little film from the heart”. Pacific Rim ist das absolute Gegenteil: ein klotzender Blockbuster ohne einen Anflug von Herz.

Profillose Figuren wie Jaeger-Leiter Stacker Pentecost (Idris Elba) klopfen pathetische Sprüche wie “Today we are cancelling the apocalypse!” und treffen Entscheidungen, die mit fortlaufender Dauer immer weniger Sinn ergeben oder nachvollziehbar sind. Die Riege der charakterlosen Charaktere reicht von einem schrulligen Wissenschaftsduo (u.a. Charlie Day) über einen deplatzierten Cameo von del Toro-Spezi Ron Perlman als kaiji-Organhändler Hannibal Chau bis hin zum bärbeißigen Iceman-Verschnitt Chuck Hansen (Robert Kazinsky) und dessen Jaeger-Kollegen (die passend aus China und Russland stammen). Letztere lernt man natürlich nie kennen, was erwartungsgemäße Konsequenzen für sie hat.

Somit sind die eindimensionalen Figuren so leblos wie ihre Jaeger-Roboter – die einzige emotionale Wucht vermag eine Rückblende von Mako Mori zu entwickeln, in der die junge Ashida Mana authentischer auftritt als das gesamte Ensemble den Film hindurch. Wenn schon die Charaktere nicht überzeugen, kann es die Handlung noch weniger. Für die kaiji fällt Beachem nichts Besseres ein als das durchgekaute Invasionsszenario, von der Vielschichtigkeit eines Gojira ist dieser Monsterfilm meilenweit entfernt. Stattdessen folgt Pacific Rim vorgefertigten, schablonenhaften Filmmustern, bis hin zum über seine eigenen dramatisierenden und visuellen Effekte stolpernden finalen Showdown am Meeresboden.

Die Action selbst verliert sich in einer ähnlichen Unübersichtlichkeit wie sie bereits Transformers: Revenge of the Fallen plagte. Wenn digitaler Jaeger auf digitalen kaiju trifft, wird im nächtlichen Regen – bei zusätzlich verdunkelndem, mehrwertlosen 3D-Effekt – nur selten klar, wer wem grad welche Extremität abgerissen hat. Ohnehin ist die Choreografie der Kämpfe grenzwertig dämlich, wenn beispielsweise nach ollem Gekloppe als letztes Mittel ein ausfahrbares Schwert herhalten soll, mit welchem der Gegenüber geköpft wird. Dass dies die letzte und nicht die erste Attackenwahl darstellt, ist sinnbildlich. Bei derartigen Taktiken verwundert es nicht, dass die Menschheit am Rande der Auslöschung steht.

Die exorbitante Länge von über zwei Stunden – die mit dazu dient, die blassen Figuren einzuführen – setzt dem Ganzen dann die Krone auf. Wieso sich Pacific Rim selbst so viele Probleme bereitet, verwundert. Am Ende trägt die simple Prämisse weder die verkomplizierte Handlung, noch vermögen die versteift-vertieften Klischee-Charaktere Sympathien zu erzeugen. Als kurzweilige Fantasy-Action versagt der Film somit ebenso wie als vielschichtige Renaissance des Monsterfilms. Wirklich schade ist es am Ende lediglich um Guillermo del Toro, der sich in diesem Kuddelmuddel irgendwie nicht so recht wiederfinden will und dem man nur wünschen kann, sich alsbald mit einer zweiten Chance hiervon zu rehabilitieren.

5/10

Jaws

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Here lies the body of Mary Lee / Died at the age of 103
For 15 years she kept her virginity / Not a bad record for this vicinity.


Wenn er schon den Mythos vom Hai als Menschenkiller nicht mit seinem zweiten Kinofilm Jaws erschuf, so bestärkte ihn zumindest Regisseur Steven Spielberg vor 38 Jahren. Sein rund acht Meter langer weißer Hai hinterließ nicht nur an den Kinokassen und in der Popkultur bleibenden Eindruck, sondern auch im kollektiven Gedächtnis der Zuschauer. Dabei sind Haie wahrlich keine Menschenmörder, zumindest nicht im Vergleich zu anderen Spezies. Im vergangenen Jahr verliefen bei weltweit 70 Angriffen durch Haie sieben davon tödlich. Allein in den USA starben im selben Zeitraum 38 Personen durch Hunde, vornehmlich Pitbulls. Der Mensch hingegen tötet laut WildAid zufolge jährlich bis zu 100 Millionen Haie.

Die Marke von 100 Millionen überschritt auch Jaws hinsichtlich seines Einspielergebnisses in den USA – was zuvor noch keinem Film gelungen war (One Flew Over the Cuckoo’s Nest sollte es Ende desselben Jahres allerdings ebenfalls schaffen). Bis zur Veröffentlichung von George Lucas’ Star Wars zwei Jahre später war Jaws der erfolgreichste Film aller Zeiten – dabei war er von einer problematischen Produktion geplagt. Im Sommer zuvor hatte man statt wie geplant 55 Tage über fünf Monate an der Ostküste in Martha’s Vineyard verbracht, die Kosten für Jaws hatten sich von rund vier auf neun Millionen Dollar mehr als verdoppelt. Was ein Jahr später folgte, war dann die Geburtsstunde des Sommer-Blockbusters.

Mit geschuldet war dies auch der bis dato unnachahmlichen Bewerbung des Films durch Universal, die nicht nur auf dem Erfolg der gleichnamigen Romanvorlage von Peter Benchley fußte, sondern auch mannigfaltig im Fernsehen geschaltet wurde. Die Antizipation stieg beim Publikum immer mehr und als der Film dann 1975 in 409 Kinos landesweit anlief, stellte er einen weiteren Rekord auf. Jaws lief den ganzen Sommer lang vor ausverkauftem Haus, mit etwaigen Wiederaufführungen in den folgenden Jahren sollte die 9-Millionen-Dollar-Produktion ihren Produzenten rund 470 Millionen Dollar einspielen. Wohl insbesondere diesem Film haben Steven Spielberg und Komponist John Williams ihre Karrieren zu verdanken.

Gerade in Hinblick auf seine Filmografie der vergangenen 20 Jahre sieht man in Jaws recht anschaulich, zu welch mediokrem Regisseur Spielberg seither verkommen ist. “I was more courageous, or I was more stupid. I’m not sure which”, blickte Spielberg selbst in Laurent Bouzereaus The Making of Steven Spielberg’s ‘Jaws’ auf sein damals 26 Jahre altes Ich zurück. Zuvor hatte er für Universal The Sugarland Express abgedreht, die Ähnlichkeiten von Jaws zu seinem Debütfilm Duel weckten dann sein Interesse an dem Projekt. Auf offener See und mit einem mechanischen Hai wollte der junge Spielberg die Romanadaption umsetzen. Ein Erlebnis, das ihm in den kommenden Jahren viele Albträume bescheren würde.

“Had we read it twice”, sagte Produzent David Brown in Bouzereaus Film, “we never would have made Jaws. Als produktionstechnisch zu aufwendig wäre der Film eingeschätzt worden. Zur Legende wurde der obligatorische Funkspruch am Set, dass der mechanische Hai nicht funktionieren würde. Aus der Not – hier zeigt sich mit die Qualität des frühen Spielberg – wurde, wie sich zeigen sollte, eine Tugend gemacht. Die Anwesenheit des Haies deutete man schlicht an: entweder mittels der kongenialen Musik von John Williams und seinem unverwechselbaren Ostinato des Themes oder durch Objekte, die der Hai hinter sich herzog wie Piere, Menschen sowie Fässer. “That really saved us”, bestätigte auch Produzent Richard D. Zanuck.

Die Handlung des Films ist dabei recht simpel. Mitten in der Hochsaison und kurz vor dem Nationalfeiertag des 4. Juli ereignet sich in dem vom Sommertourismus lebenden Inselstädtchen Amity Island ein tödlicher Haiangriff auf eine junge Frau. Während der vom Festland stammende Polizeichef Brody (Roy Scheider) zur Sicherheit den Strand sperren will, möchte Bürgermeister Vaughan (Murray Hamilton) keine Massenpanik auslösen. Weitere Todesfälle rufen infolgedessen den Marinebiologen Hooper (Richard Dreyfuss) sowie den Haifischjäger Quint (Robert Shaw) auf den Plan, mit denen gemeinsam sich Brody daraufhin aufmacht, den riesigen weißen Hai auf offener See zu finden und zu töten.

Im Vordergrund – und daran sind die technischen Probleme am Set nicht unschuldig gewesen – stehen in Jaws die Charaktere, nicht der Hai und auch nicht unbedingt die von ihm ausgehende Bedrohung. Der nach Amity Island gezogene Brody sieht sich nicht nur mit einem Hai-Problem in einem ihm unbehaglichen Element konfrontiert, sondern in Person von Vaughan und den vom Tourismus abhängigen Einwohnern auch einem solchen auf dem Land. “Amity is a summer town. We need summer dollars”, erklärt Vaughan. Die Crux der Situation ist, dass sowohl Brody als auch der Zuschauer in gewisser Weise die Position von Vaughan und der Stadt bezüglich einer Schließung der Strände nachvollziehen kann.

Städte wie Amity Island leben vom Sommertourismus und fällt eine Saison aus, sind womöglich Existenzen gefährdet – und für Vaughan seine Wiederwahl. Zugleich ist auch dem Zuschauer so klar wie Brody, dass der Hai eine ebenso große Gefahr darstellt – für den Tourismus wie das Wohl der Badenden. Die ersten zwei Akte von Jaws auf Amity Island sind somit in gewisser Weise fast ein Film für sich, voll von lokalpolitischen Untertönen und Existenzangst in doppelter Hinsicht. Mit Brody als Identifikationsfigur kann sich das Publikum auf einer Wellenlänge „hinaus ins Meer“ wagen: Von seiner ersten impulsiven Entscheidung über seine folgende passive Akzeptanz bis hin zu seiner aktiven Kehrtwende.

Der Hai fungiert gerade in der ersten Filmhälfte fast als Chimäre, eine unsichtbare Gewalt, die sich bloß über ihre Opfer nachvollziehen lässt. Dass das Tier nicht zu sehen ist, steigert die (An-)Spannung nur umso mehr. Von der Untersichtaufnahme Chrissies zu Beginn über die Pierattacke auf Denherder und Charlie bis zum Ableben des Kintner-Jungen. Erst bei seinem Angriff im Ästuar erhält man als Zuschauer einen wirklichen Eindruck vom Umfang des Haies. Und trotz seines damaligen PG-Ratings schafft es der Film überraschend gekonnt einige minimale aber dennoch effektive Gore-Szenen abgetrennter Körperteile zu zeigen, sei es Chrissies Unterarm, Ben Gardners Kopf oder das Bein des Ästuar-Seglers.

Dienen die ersten beiden Akte der dramatischen Exposition und sind dahingehend von nicht zu leugnenden Horrorelementen durchzogen, läutet Spielberg das Schlussdrittel mit John Williams’ vergnüglichem, an einer Piratenthematik orientierten, Stück „Out to Sea“ als von einem Abenteuercharakter durchzogenes Finale ein. Die vier Hauptfiguren – Brody, Hooper, Quint und der Hai – sind nunmehr unter sich und auf sich allein gestellt. “This isn’t no boy scout picnic”, grummelt Quint. Auf hoher See nimmt Jaws dann mehr seiner Qualitäten von Moby Dick an, wenn der Hai nach und nach die Orcaüberprüft, während die drei Männer erst ein und dann immer mehr Luftfässer in seine Finne und Rücken jagen.

Die auf- und abtauchenden Fässer des sich immer wieder nähernden und entfernenden Haies tragen zur Dramatik weit mehr bei als es Spielbergs mechanischer Animatronic vermocht hätte. Auch hier nimmt sich der Regisseur die Zeit, die Hai-Szenen durch intensive Charaktermomente zu unterbrechen. Der abendliche Narbenvergleich zwischen Hooper und Quint ist inzwischen längst Teil der Popkultur und wurde sowohl in Lethal Weapon 3 als auch in Chasing Amy zitiert. Derweil ist Spielbergs persönliche Lieblingsszene jener Indianapolis-Monolog von Quint, der auf einer Idee von Skript Doktor Howard Sackler basierte, die von John Milius erst aus- und von Robert Shaw schließlich nochmals überarbeitet worden war.

In gewisser Weise reißt somit Shaw, dessen Figur bis auf eine Szene weitestgehend abwesend war, im dritten Akt gemeinsam mit der verstärkten Präsenz des Haies das Geschehen an sich. Das Moby Dick-Motiv nimmt immer mehr zu und kulminiert letztlich in Shaws Tod durch das Tier. Unterdessen war der zuvor agierende Brody immer mehr in den Hintergrund gerückt und wird erst zum Schluss wieder richtig aktiv als alles verloren scheint. Die Dramaturgie will es, dass der Antagonist des Films am Ende weder vom Haifischjäger noch vom Meeresbiologen gestoppt wird. Vielmehr ist es der auf Amity Island nach Frieden suchende Polizist aus New York, der das enorme Biest zur Strecke bringen muss.

Wenn man so will, ist Marcus Brody also der Antiheld der Geschichte. Der vor den grausamen Morden des Big Apple flieht, um im beschaulichen Inselstädtchen mit nicht minder verunstalteten Leichen konfrontiert zu werden. Roy Scheider gibt seinen Polizeichef dabei als vernünftigen Normalo und fürsorglichen Vater. Ein every man, wie er später in nahezu jedem Spielberg-Werk auftauchen wird. Auch Robert Shaw, Murray Hamilton und Richard Dreyfuss überzeugen in ihren jeweiligen Rollen, wobei man als Zuschauer dankbar sein muss, das sich Spielberg gegen die Darstellung der Affäre zwischen Hooper und Ellen Brody (Lorraine Gary) – wie in Peter Benchleys Roman geschildert – entschieden hat.

Interessanterweise scheinen es, vielleicht auch nur in den 1970er Jahren, jene Filme mit großen Problemen in der Produktion wie Jaws, The Godfather oder Apocalypse Now zu sein, die infolgedessen statt zum Flop zu Meisterwerken der Filmgeschichte avancierten. Wie sich zeigte, sollte zumindest Jaws von seinen Verzögerungen letztlich profitieren, was sich neben der angedeuteten Präsenz des Haies auch in so manchen improvisierten Szenen – darunter Scheiders Kultzitat “You’re gonna need a bigger boat”– niederschlug. Durch die oft im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallenen Einstellungen konnten Darsteller und Drehbuchautor Carl Gottlieb vor Ort kontinuierlich am Endprodukt feilen.

Der fertige Film und sein kulturelles Erbe wirken da natürlich wie Balsam, dennoch verschleierte Spielberg nie, dass neben einem lachenden auch ein weinendes Auge existiert. “A fun movie to watch”, nennt er Jaws da völlig korrekt, “but not a fun movie to make”. Der Zweck heiligt die Mittel, ließe sich wohl sagen. Jaws ist ein Film, der auch nach bald 40 Jahren nichts von seiner Klasse eingebüßt hat und fraglos zu Spielbergs wenigen wirklichen Meisterwerken zählt. Und genau genommen gewinnt der Film nur noch mehr an Qualität, wenn man sich anschaut, welche Filme der Regisseur heutzutage macht. Weshalb Steven Spielberg gut daran täte, mal wieder den mutigen 26-Jährigen von einst in sich herauszukitzeln.

10/10

Only God Forgives

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One night in Bangkok makes a hard man humble.
(Murray Head, One Night in Bangkok)

Dänemarks Filmemacher machen es sich nicht leicht. Ein Lars von Trier flog 2011 bei den Filmfestspielen in Cannes wegen scheinbarer Nazi-Äußerungen hinaus und sein Landsmann Nicolas Winding Refn polarisiert durch Penetrationswünsche nicht nur die Gemüter der Fünf Filmfreunde. Hassen oder nicht hassen – das ist hier die Frage. Zumindest bei Winding Refn erklärt sich die Abneigung mancher vermeintlicher elitärer Filmkritiker durch dessen kühlen Vorjahres-Noir Drive. In seinem neuen Film vereint sich der Däne wieder mit Ryan Gosling, der kurzfristig Luke Evans ersetzte, und liefert seinen Hatern frisches Futter. Und in der Tat fällt Only God Forgives leider weniger penetrierend als penetrant aus.

Erzählt wird darin die Geschichte des ruhigen Julian (Ryan Gosling), der mit seinem älteren Bruder Billy (Tom Burke) in Bangkok einen Boxclub als Tarnung für Drogengeschäfte leitet. Als Billy ein junges Mädchen vergewaltigt und ermordet, ruft dies den pensionierten Polizisten Chang (Vithaya Pansringarm) auf den Plan. Er lässt an dem Amerikaner Rache verüben und zieht damit den Zorn von Billys Mutter Crystal (Kristin Scott Thomas) auf sich. Weil Julian die Angelegenheit als erledigt betrachtet, engagiert die Matriarchin Auftragskiller für Chang. Doch das Attentat misslingt und fortan verfängt sich Julian immer mehr in der von der Mutter entfachten Gewaltspirale, welcher er sich nicht zu entziehen vermag.

Im Gegensatz zu sich selbst sind die Protagonisten von Nicolas Winding Refn keine Männer großer Worte. Oder großer Taten. Goslings schick gekleideter Krimineller wirkt sogar derart apathisch, dass er sich nicht einmal am sexuellen Akt mit der Prostituierten Mai (Rhatha Phongam) beteiligen will. Es langt ihm, sie bei der Selbstbefriedigung zu beobachten, später führt sie dann doch mal seine Hand zwischen ihren Schritt. Der Tod des Bruders wird akzeptiert als Julian von dessen Umständen erfährt. Die stoische Gefühlskälte der Hauptfigur blättert erst, nachdem mit seiner egomanischen Mutter Julians familiäre Vergangenheit den Zoll in Bangkok durchschreitet. Die Tragödie der ödipalen Figur setzt sich damit fort.

Allerdings erfahren wir über die Charaktere wenig bis nichts. Weder wieso Billy, scheinbar mit Intention, sein Verbrechen verübt, noch warum die Bangkoker Polizei anstatt Kriminelle vor ein Gericht zu stellen, sie in Selbstjustiz von einem ehemaligen Kollegen als “Angel of Vengeance” hinrichten lässt. Immerhin mangelt es soweit es den Film betrifft nicht an Geständigkeit der Täter noch an potentiellen Zeugen. Nachvollziehbar ist das Geschehen in Only God Forgives somit nicht, zu spärlich fallen sowohl die Handlung als auch die Figuren aus. Bei diesen bleibt Hauptprotagonist Julian ebenso blass wie unerhebliche Charaktere à la Mai – sie scheinen allesamt, inklusive Crystal und Chang, gefangen in der Eindimensionalität.

Stattdessen verliert sich Winding Refn in seiner blau-violett schimmernden Neonwelt, die mit Elternbeziehungen – in einem vergessenswerten Subplot sehen wir Chang als alleinerziehenden Vater einer Tochter – aufgeladen scheint, die allerdings über weite Stücke dem Schnitt zum Opfer fielen (?). Die gelegentlichen Gewaltexzesse Changs, die man beim besten Willen nicht als brutal bezeichnen kann, wollen ebenso wenig ein stimmiges Ganzes mit Julians subtilem Ödipuskomplex ergeben, wie die mehrfach eingestreuten Gesangspassagen des Racheengels sowie anderer Figuren. Wo Drive in seiner Verbindung von Atmosphäre mit simpler Handlung und Charakteren reüssierte, verliert sich Only God Forgives in Prätention.

Dies wiederum bringt ihn auf eine Wellenlänge mit Valhalla Rising, auf den der Film an sich direkt hätte folgen sollen, ehe Gosling Drive vorziehen wollte. Dass Winding Refn die Helden aller drei Filme als ein und dieselbe Person erachtet, vermag sich wohl nur ihm zu erschließen. Mit Drive eint Only God Forgives jedenfalls nur Ryan Gosling und der stumm-stoische Protagonist, der Film selbst wirkt eher wie ein in Neonfarben getauchtes Nachbeben für jene Vikinger-Sülze, die der Regisseur vor drei Jahren fabriziert hat. In welche Richtung er sich mit dem kommenden I Walk with the Dead bewegen wird, ist offen. Sollte der Däne sich aber erneut in Prätention verlieren, vergibt ihm dies vermutlich tatsächlich nur noch Gott.

4/10

Filmtagebuch: Juli

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BLADE
(USA 1998, Stephen Norrington)
6.5/10

CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND[DIRECTOR’S CUT]
[UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART]
(USA 1977, Steven Spielberg)

1.5/10

COMIC-CON EPISODE IV: A FAN’S HOPE
(USA 2011, Morgan Spurlock)
6/10

CRITTERS
(USA 1986, Stephen Herek)
7/10

CRITTERS 2: THE MAIN COURSE
(USA 1988, Mick Garris)
5.5/10

CRITTERS 3
(USA 1991, Kristine Peterson)
4/10

CRITTERS 4
(USA 1992, Rupert Harvey)
4/10

E.T. THE EXTRA-TERRESTRIAL[E.T. - DER AUSSERIRDISCHE]
(USA 1982, Steven Spielberg)

7/10

FLIGHT
(USA 2012, Robert Zemeckis)
5/10

GOJIRA[GODZILLA]
(J 1954, Honda Ishirô)

8/10

GODZILLA, KING OF THE MONSTERS!
(USA/J 1956, Honda Ishirô/Terry O. Morse)
3.5/10

GREMLINS
(USA 1984, Joe Dante)
7.5/10

GREMLINS 2: THE NEW BATCH
(USA 1990, Joe Dante)
7.5/10

INSIDIOUS
(USA/CDN 2010, James Wan)
4/10

INTOUCHABLES[ZIEMLICH BESTE FREUNDE]
(F 2011, Olivier Nakache/Eric Toledano)

2.5/10

JAWS[DER WEISSE HAI]
(USA 1975, Steven Spielberg)

10/10

THE MAKING OF STEVEN SPIELBERG’S ‘JAWS’
(USA 1995, Laurent Bouzereau)
6.5/10

ONLY GOD FORGIVES
(USA/T/F/S 2013, Nicolas Winding Refn)
4/10

PAWN STARS - SEASON 3
(USA 2010, Jairus Cobb/Guy Fiorita)
7.5/10

POLTERGEIST
(USA 1982, Tobe Hooper)
7.5/10

SCRUBS - SEASON 1
(USA 2001/02, Adam Bernstein u.a.)
8/10

SCRUBS - SEASON 2
(USA 2002/03, Michael Spiller u.a.)
7.5/10

SCRUBS - SEASON 3
(USA 2003/04, Michael Spiller/Chris Koch u.a.)
8/10

SCRUBS - SEASON 4
(USA 2004/05, Ken Whittingham u.a.)
8/10

THE SHARK IS STILL WORKING
(USA 2007, Erik Hollander)
5.5/10

SHARKNADO
(USA 2013, Anthony C. Ferrante)
1.5/10

THE RUINS[RUINEN]
(USA/AUS 2008, Carter Smith)

6.5/10

TRANCE
(UK 2013, Danny Boyle)
6/10

Werkschau: Guillermo del Toro


CRONOS
(MEX 1993, Guillermo del Toro)
6.5/10

MIMIC[DIRECTOR’S CUT]
(USA 1997, Guillermo del Toro)

6.5/10

EL ESPINAZO DEL DIABLO[DAS RÜCKRAT DES TEUFELS]
(S/MEX 2001, Guillermo del Toro)

7/10

BLADE II
(USA/D 2002, Guillermo del Toro)
5.5/10

HELLBOY[DIRECTOR’S CUT]
(USA 2004, Guillermo del Toro)

7.5/10

EL LABERINTO DEL FAUNO[PANS LABYRINTH]
(E/MEX/USA 2006, Guillermo del Toro)

8.5/10

HELLBOY II: THE GOLDEN ARMY
(USA/D 2008, Guillermo del Toro)
7.5/10

PACIFIC RIM
(USA 2013, Guillermo del Toro)
5/10

Trance

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Remember, do not be a hero.

Wie in Trance fühlt man sich, wenn man Dinge erledigt, ohne sich ihrer Ausübung wirklich bewusst zu sein. Ein Dämmerzustand also, der vorübergehend die Aufmerksamkeit ändert und eine Entspannung einleitet – ausgelöst durch Hypnose. Unterschwellig lassen sich auf diese Weise Verhaltensänderungen vornehmen.“Do you want to remember or do you want to forget?”, fragt Hypnotiseurin Elizabeth Lamb (Rosario Dawson) am Ende von Danny Boyles jüngstem Film Trance eine der Figuren. Sich an Vergessenes erinnern steht im Mittelpunkt von Boyles Psycho-Thriller, den dieser während seiner Vorbereitungen für die Eröffnungszeremonie der Olympischen Sommerspiele in London im vergangenen Jahr drehte.

In dem Quasi-Remake eines britischen TV-Films von 2001 muss sich der Kunstauktionator Simon (James McAvoy) daran erinnern, wo er Francisco Goyas „Hexen in der Luft“ versteckt hat. Dieses wollte der Kriminelle Franck (Vincent Cassel) stehlen, nachdem ihm Simon, von Wettschulden geplagt, über dessen Wert und Auktionstermin informierte. Als der Überfall nicht wie geplant verläuft und Simon nach einem Kopfstoß und der anschließenden Operation vergessen hat, wo er den Goya unterbrachte, engagiert Franck kurzerhand Dr. Lamb, um dem Gedächtnis von Simon auf die Sprünge zu helfen. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen während der folgenden Sitzungen dann immer mehr.

“Everyone knows amnesia is bollocks”, ächzt Franck zwar zuerst noch ob Simons Kondition, macht dann allerdings doch gute Miene zum bösen Spiel. Fünf Prozent der Bevölkerung seien empfänglich für Hypnose habe er in einem Buch gelesen, konfrontiert Franck in einer Szene Lamb. Deren Beweggründe, sich mit ihm und seiner Gang einzulassen, überraschen derweil noch zu Beginn, um erst gegen Ende von Trance eine – allerdings wenig eindrucksvolle – Erklärung zu erhalten. Boyle versucht sich ziemlich deutlich an einem Film, in welchem nichts so sein soll, wie es zu sein scheint. Warum weint Lamb als sie über Simons Angriff im Auktionshaus liest und wird dieser von einer imaginären Frau bis in die Realität verfolgt?

Dass die rassige Hypnotiseurin dabei nicht nur Simon, sondern bald auch Franck den Kopf verdreht, verkompliziert die Sache nur noch. Gerade weil Simon, zuvor bereits durch Franck und seine Männer eingeschüchtert, nun zusätzlich eifersüchtig wird und sich mental noch mehr abschirmt. Sehr zur Ungeduld von Francks Handlanger Nate (Danny Sapani), der zu einem gewissen Zeitpunkt die Dinge selber in die Hand nimmt. Was folgt sind Blut, Mord und Totschlag, aufklärende Rückblenden, Twists und das ganz große Drama. Eben wie man das so kennt, aus Thrillern, in denen Figuren Wahrnehmungsstörungen haben. Problematisch ist nur, dass jenes Tabula rasa in Danny Boyles finalem Drittel allerdings wenig überzeugen will.

Das liegt zum einen daran, dass die Twistwendung relativ früh erahnbar ist und Trance, wie bereits Christopher Nolans Inception, kaum etwas aus seinen Gedankenspielereien zu machen versteht. Hypnose funktioniert bei Boyle als bloßes Drauflosquatschen, ihr anheim fällt dann, wer seinen Geist nicht bei Drei auf die Bäume bringt. Dass der Brite zudem versucht, mit visuellen Kameraspielereien einige Szenen in der Realität möglichst doppeldeutig erscheinen zu lassen – gewünschte Zuschauerreaktion: Ist das jetzt Trance oder real? – macht das Ganze nicht wirklich besser und schon gar nicht cleverer. Stattdessen bürdet sich der Film in bester Manier eines Damon Lindelof mehr Antizipation auf als er letztlich einlösen kann.

Auch zuvor schon fehlt dem Film eine rechte atmosphärische Einordnung, inszeniert Boyle sein jüngstes Werk doch teils mit der Verve seiner Anfangsjahre, wenn McAvoy wie einst Ewan McGregor als Erzähler direkt in die Kamera spricht, während die visuelle farbintensive Kameraarbeit eines Anthony Dod Mantle jenen lässigen Charakter des Films unterstützt. Ein Feel-Good-Thriller irgendwie, der zwar in seinen ersten beiden Akten streckenweise durchaus Spaß macht, nach hinten raus jedoch immer mehr abbaut. So merkt man Trance an, dass das Ausgangsmaterial eher auf TV-Niveau zu verordnen ist und dass Olympia-Regisseur Danny Boyle mit seinen Gedanken ganz woanders gewesen zu sein scheint. Wie in Trance.

6/10

Filmjahresrückblick 2006: Die Top Ten

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Film lovers are sick people.
(François Truffaut)

Ein Filmjahresrückblick zum Jahr 2006? Bin ich damit nicht ein bisschen spät dran? Sicher, mehr als sechseinhalb Jahre. Aber öfters mal was Neues ist ja auch ganz nett und die Ausrede „vieles davon hab ich nicht gesehen“ könnte sich angesichts des halben Jahrzehnts seit dem Kinostart dieses Mal erübrigen. Dementsprechend habe auch ich nicht jeden Film dieses „Prequels“ meiner bisherigen Filmjahresrückblicke damals bereits gesehen, was dieser Retrospektive sicherlich eine gewisse Sonderstellung verschafft. Dennoch sind die gesichteten Filme nicht vielfältiger ausgefallen als vergleichsweise in späteren Jahren. Aber dazu gleich mehr. Wer sich jedoch nicht auf diese Zeitreise ins Filmjahr 2006 mit mir begeben will, kennt das Spiel ja: Die Bestenliste findet sich am Ende des Beitrages.

Durch die Rückschau kam ich also in den Genuss von 147 Filmen aus dem Jahr 2006, was folglich weitaus mehr sind als in 2007 (105), 2008 (120), 2009 (134) und 2010 (116). Lediglich 2011 (150) sowie im vergangenen Jahr (161) fiel der Konsum höher aus. Logisch also, dass die – allerdings relativ knappe – Mehrheit der Sichtungen auf das Heimkino entfallen muss, wo ich im Gegensatz zu den 69 Kinobesuchen die übrigen 78 Filme gesehen habe. Rund 42 Prozent der Kinobesuche waren dabei der 2006 noch sehr oft frequentierten Sneak Preview geschuldet, bei der ich 29 Mal im Publikum saß. Zwei Mal ein Ticket löste ich lediglich für DreamWorks’ Over the Hedge, während ich damals noch keine Pressevorführungen besucht habe und somit alle Kinobesuche regulär stattfanden.

Solcher war es sicher auch geschuldet, dass Filme wie The Departed und Das Leben der Anderen als große Meisterwerke abgefeiert wurden. Ohnehin avancierte Martin Scorses US-Remake des Hongkong-Klassikers Mou gaan dou mit vier Oscar®-Trophäen zum großen Gewinner des Jahres. Auch bei den Nutzern der IMDb kam The Departed mit einer Wertung von 8.5/10 am besten weg, dicht gefolgt – und das ist durchaus überraschend – von Florian Henckel von Donnermarcks Debütfilm Das Leben der Anderen mit 8.4/10. Der einzige Film, der mit der Popularität dieser Beiden mithalten konnte, war die Comicverfilmung V for Vendetta von James McTeigue mit 8.1/10. Und dann kommt lange nichts, was ob der mäßigen Qualität dieser drei Filme so verwunderlich wie erschreckend ist.

Wenig verwunderlich sind dagegen die erfolgreichsten Filme des Jahres 2006 gewesen. Dabei schickte sich Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest an, als damals erst dritter Film nach Titanic und The Return of the King die magische Einspiel-Marke von einer Milliarde Dollar zu überschreiten. Und das ganz ohne 3D wohlgemerkt, sondern allein auf dem Erfolg des Vorgängerfilms aufbauend. Ähnliches konnte auch der Zweit- und Drittplatzierte für sich in Anspruch nehmen. Nach dem Hype um Dan Browns Roman avancierte The Da Vinci Code auch zum weltweiten Kinophänomen und setzte sich damit sogar noch vor Ice Age: The Meltdown, der somit der erfolgreichste Animationsfilm des Jahres war (aber dennoch bei den Academy Awards 2007 außen vor gelassen wurde).

Während sich The Da Vinci Code als lachender Dritter – oder in diesem Fall: Zweiter – präsentierte und lediglich in Griechenland und ironischerweise Italien auf Platz 1 der Jahrescharts setzte, fochten Dead Man’s Chest und Ice Age 2 in einer Privatfehde um die Gunst des internationalen Publikums. So enterten Jack Sparrow und Co. unter anderem Japan, Australien, Bulgarien, Thailand, die Niederlande, Spanien, Schweden sowie mit den USA die Heimat des Blockbuster-Kinos. Scrat und seine Bande prähistorischer Säuger obsiegten dagegen in Argentinien, Norwegen, Polen, der Schweiz und hierzulande in Deutschland mit 8,7 Millionen Zuschauern. In den USA schmolz The Meltdown dagegen nur auf Platz 8 und damit noch hinter den späteren Oscar®-Gewinner Happy Feet.

Es gab allerdings auch Nationen, die sich stattdessen – ganz patriotisch – für einen einheimischen Film als Jahresfavoriten entschieden. Die Franzosen untermauerten dabei mit 10,3 Millionen Besuchern für Bronzés 3 - Amis pour la vie ihren Status als Kinofans, während die Russen ganz gespannt auf Dnevnoy dozor (Wächter des Tages), das Sequel zu Nochnoy dozor, waren. In Tschechien setzte sich derweil Obsluhoval jsem anglického krále (Ich habe den englischen König bedient) als Jahressieger durch und in der Türkei mit sehr großem Abstand der Kriegs- und Skandalfilm Kurtlar Vadisi – Irak (Tal der Wölfe – Irak). Im Vereinigten Königreich erfreute man sich wiederum an der Rückkehr von James Bond in Casino Royale, der überraschend auch Spitzenreiter in Finnland wurde.

Dementsprechend darf sich Daniel Craig durchaus zu den Gewinnern des Jahres zählen, überzeugte er entgegen zuvorigen Befürchtungen im Internet als blonder und blauäugiger 007 im Geheimdienst ihrer Majestät. Bereits angesprochen waren die bei den Academy Awards honorierten Martin Scorsese und Florian Henckel von Donnersmarck, aber auch Danny Huston darf mit dem Kinojahr 2006 zufrieden sein. In vier Filmen (Children of Men, The Proposition, The Constant Gardener, Marie Antoinette) war der Sohn von Regie-Legende John Huston zu sehen und schlug sich in allen von ihnen beachtlich – wenn auch nur in Nebenrollen. Ebenfalls auf sich aufmerksam machten die Globale Erwärmung in Al Gores Dokumentarfilm An Inconveniant Truth und Sacha Baron Cohens kultige Kunstfigur Borat.

Schauspielerisch setzte 2006 niemand allzu große Glanzlichter, dennoch wusste bei den Männern Heath Ledger sowohl im Drogen-Biopic Candy als auch im Liebesdrama Brokeback Mountain zu überzeugen. Bei den Damen wiederum hinterließen einerseits Sigourney Weaver als Autistin in Snow Cake einen nachhaltigen Eindruck, andererseits Felicity Huffman als Transsexueller in Transamerica. Den Titel des vielversprechendsten Newcomers verdient sich aufgrund der nunmehr ersichtlichen Karriere rückblickend wohl eher Ellen Page in Hard Candy als Q’Orianka Kilcher in The New World. Und während sich der beste Animationsfilm in den Top Ten findet, soll die erste Staffel von Dexter derweil zur besten Serie gekürt werden, die sich gegen die starke zweite Staffel von Lost durchsetzt.

Ansonsten bleibt in Erinnerung, dass sowohl Oliver Stone (World Trade Center) als auch Paul Greengrass (United 93) dem Terror vom 11. September nach fünf Jahren ein filmisches Gesicht verliehen. Während Greengrass’ Film Lob erhielt, begeisterte Stones Drama nur die Wenigsten. Dabei waren er und Scorsese nicht die einzigen prominenten Regisseure mit einem Film in 2006, unter anderem lieferten auch Steven Spielberg (Munich), Richard Donner (16 Blocks), Woody Allen (Scoop) sowie Spike Lee und Pedro Almodóvar neue Werke ab. Letztere mit Inside Man respektive Volver sogar die erfolgreichsten ihrer Karriere. Aber langer Rede kurzer Sinn präsentiere ich nun meine zehn besten Filmen des Jahres 2006 (die Flops und Runner-ups finden sich als erster Kommentar):



10.Wer früher stirbt, ist länger tot(Marcus H. Rosenmüller, D 2006): In dieser Mundart-Komödie zeigt Rosenmüller, dass Deutschland durchaus zu originellen wie humorvollen Filmen fähig ist, wenn ein bayrischer Lausbub versucht, unsterblich zu werden, um dadurch dem Jüngsten Gericht zu entgehen. Zu Beginn des dritten Akts überschlagen sich dann zwar etwas die Ereignisse und das Finale wirkt nicht sonderlich stimmig, es ist jedoch ein Verdienst des Films, dass es diesem nicht das Genick bricht.

9.Syriana(Stephen Gaghan, USA 2005): Selten lässt sich heute über einen Hollywood-Film sagen, dass er intelligent ist. Umso verdienstvoller gerät dieser Polit-Thriller angesichts seiner Thematik, übt Gaghans Episodenfilm doch ganz unsubtil Kritik an der US-Politik, die Strukturen im Mittleren Osten nach ihrem Gusto umzumodellieren. Gaghan gelingt es, uns ein Intrigenspiel zu servieren, konventionell genug, damit wir ihm folgen, und smart genug, damit wir von ihm womöglich sogar noch etwas lernen.

8.When the Levees Broke(Spike Lee, USA 2006): Ein simpler Sturm avancierte im August 2005 zum sechststärksten Atlantiksturm aller Zeiten und zur teuersten Naturkatastrophe in der US-Geschichte. Verantwortlich hierfür war jedoch weniger Katrina denn menschliches Versagen bei der Deichkonstruktion in New Orleans. In seiner vierteiligen Dokumentation arbeitete Lee auf, was genau geschah, welche Folgen es hatte und dass man es hätte verhindern können. Eine Geschichte des Scheiterns.

7.The New World(Terrence Malick, USA/UK 2005): Das Bild des aus dem Paradies verstoßenen Menschen durchzieht Malicks Œuvre, doch nirgends thematisiert er die gescheiterte Rückkehr wie hier. Sich des Philosophen Ralph Waldo Emerson bedienend schlägt sein unterschätzter Film eine Brücke zwischen The Thin Red Line und seinen jüngsten, persönlichsten Werken, wenn Malick anhand der Pocahontas-Legende seine tota allegoria der Unschuld der Welt erzählt. Weniger Geschichte denn Erfahrung.

6.Goya’s Ghosts(Miloš Forman, USA/E 2006): In Formans Historiendrama zur spanischen Inquisition verzichtet eine junge Kaufmannstochter in der Taverne auf Schweinefleisch – die Folge sind darauf Folter, jahrelange Inhaftierung, Vergewaltigung, Wahnsinn und Prostitution. Im Grunde lässt sich der Film, obschon er den Namen Francisco de Goyas im Titel trägt, je nach Fokus seiner drei Figuren einem anderen Genre zuordnen. Biografie, Tragödie und Historienfilm – dabei alles drei gleichermaßen überzeugend.

5.Grizzly Man(Werner Herzog, USA 2005): Ganze 13 Jahre lebte Timothy Treadwell in einem Nationalpark mit Bären, ehe er 2003 von einem getötet wurde. Herzog inszenierte dieses – größtenteils von Treadwell vor seinem Tod selbst gefilmte – Porträt als tiefgehenden Einblick in die Psyche eines Mannes mit sozialen Schwächen, der ein Gespür für das Cineastische und eine aufrichtige Wertschätzung für die Bären besaß. Durch und durch ein Werner Herzog Film und zugleich aber die Timothy Treadwell Show.

4.Tenkû no shiro Rapyuta(Miyazaki Hayao, J 1986): Mit seiner großen Vorstellungskraft ist Miyazaki der einzig wahre Erbe Disneys als Zeichentrickpapst. Kein Wunder, dass auch dieser erste offizielle Ghibli – der in Deutschland erst 2006 in den Kinos lief – ein kleines Meisterwerk ist. Die Geschichte zwei Kinder, deren Moral und Ethik ebenso rein ist wie ihre Loyalität zueinander, bietet hier bildgewaltige Szenerien, sympathische Charaktere und ein pompöses Amalgam aus Kinder- und Actionfilm.

3.The Last Kiss(Tony Goldwyn, USA 2006): In ihrem Remake von Gabriele Muccinos L’ultimo bacio zeichnen Goldwyn und Drehbuchautor Paul Haggis ein wahrlich deprimierend-depressives Bild von der Institution Ehe und Beziehungen im Allgemeinen, die für die Protagonisten ein emotionales Gefängnis darstellen. Als Gesamtkonstrukt gefällt der Film dabei weniger wegen seiner philosophischen Ansätze über Beziehungen denn seines Versuchs, eine Momentaufnahme einer zerfahrenen solchen sein zu wollen.

2.Brick(Rian Johnson, USA 2005): Inspiriert von der Noir-Welt eines Dashiell Hammetts konzipierte Johnson für sein Debüt seine eigene hardboiled detective story an einer High School. Dort wartet der Film mit einer durchaus seriösen Behandlung eines Kriminalfalls auf, ist somit weniger ein Mordkomplott im Gewand eines infantilen American Pie als vielmehr ein auf dem Schulhof spielender Chinatown. Ein mit einem Augenzwinkern servierter Neo Noir, der zurecht zum Kultfilm aufstieg.

1.Brokeback Mountain(Ang Lee, USA/CDN 2005): Zwar hebt sich Lees vorlagentreue Adaption einer untolerierten Liebe zweier Cowboys in seiner Tragik nicht großartig von anderen Melodramen ab, dennoch gelang dem Taiwanesen eine epische Romanze, die – wohl auch aufgrund der Prämisse – ihren Weg in die Filmgeschichte fand. Das exzellente Ensemble, die malerischen Aufnahmen von Rodrigo Prieto und die sanften Gitarrenklänge Gustavo Santaollalas bieten somit bestes emotionales Gefühlskino.

Mud

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You gotta know what’s worth keeping and what’s worth letting go.

Schon Neil Young sang vor über 40 Jahren “only love can break your heart” und damit von einer Erfahrung, die wohl die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens machen müssen. Und wohl kaum so oft wie in den jungen Jahren des Erwachsenwerdens. Entsprechend liefert die Liebe in all ihren Facetten seit jeher den Stoff für romantisch-dramatische Geschichten, zu denen sich nunmehr auch Jeff Nichols’ dritter und jüngster Spielfilm Mud gesellen darf. Mit diesem schließt der Regisseur nahtlos an die Qualität seiner Vorgänger Shotgun Stories und Take Shelter an und untermauert mit seiner universellen Inszenierung seine aktuelle Stellung als eines der vielversprechendsten Regie-Talente in den USA.

Angesiedelt in seiner eigenen Heimat im Arkansas Delta erzählt Nichols eine Coming of Age-Geschichte mit leichten Märchenelementen, wenn die jugendlichen Freunde Ellis (Tye Sheridan) und Neckbone (Jacob Lofland) auf einer kleinen Insel im Mississippi ein von einer Flut in die Baumkronen gespültes Boot entdecken. In diesem haust wiederum mit Mud (Matthew McConaughy) ein wegen Mordes gesuchter Flüchtiger. Er will sich in Kürze mit seiner großen Liebe Juniper (Reese Witherspoone) vereinen, braucht dafür jedoch die Hilfe der beiden Jungs, um das Boot auf Vordermann zu bringen. Der frischverliebte Ellis, dessen Eltern gerade beschlossen, sich scheiden zu lassen, sagt Mud daraufhin seine Unterstützung zu.

Die Handlung und Inszenierung von Mud lässt sich dabei so beschreiben als hätte Mark Twain Great Expectations geschrieben. Ellis und Neckbone begeben sich auf ein Mississippi-Abenteuer und erinnern an Tom Sawyer und Huckleberry Finn, während die Begegnung von Ellis mit Mud und dessen Fluchtplan per Boot Parallelen zu Pips Beziehung mit Magwitch aus Charles Dickens Werk wecken. Dessen Thematik des gebrochenen Herzens ist es, die in Mud allgegenwärtig scheint. Ähnlich wie Estella ist es hier Juniper, die des Helden Herz wiederholt gebrochen hat. Und als sich Ellis im Verlauf des Films mit May Pearl einem Schwarm aus der Schule annähert, läuft er dabei selbst Gefahr, emotional verletzt zu werden.

Derweil ist die Ehe seiner Eltern (Ray McKinnon, Sarah Paulson) bereits am Ende, als seine Mutter die Scheidung will und der Auszug aus dem Familien-Hausboot droht. Nichols zeichnet in seinem Film kein dankbares Frauenbild, unter deren Verhalten hier alle Männer leiden. Eine Wassermokassinotter verstärkt noch zusätzlich den Kontext zum dritten Genesis-Kapitel. Ellis und Neckbone sollen Frauen wie Prinzessinnen behandeln, gibt ihnen zu Beginn eine Bekanntschaft von Neckbones Onkel Galen (Michael Shannon) mit auf den Weg. Der subtile misogynistische Ton von Mud ist es, der dem Film etwas in die Parade fährt, handelt es sich doch ansonsten in der Tat um ein sehr schönes Coming of Age-Drama.

Dieses rückt auch Vater-Sohn-Beziehungen in den Vordergrund. Mit Joe Don Bakers Figur des King Carver schickt der Vater von Muds Opfer seinen zweiten Sohn Carver (Paul Sparks) aus, um mit einer Bande von Kopfgeldjägern den Flüchtigen zu töten. Mud selbst pflegt eine Art väterliches Verhältnis mit Sam Shepards verschlossenen Scharfschützen und auch die Beziehung von Ellis zu seinem alten Herrn spielt eine Rolle. Es ist eine von Männern beherrschte Welt in Mud und Ellis scheint bisweilen hin und hergerissen zwischen allen Möglichkeiten, die sich ihm eröffnen. In Mud begegnet er in gewisser Weise dann einem älteren, nicht minder romantischen Pendant von sich selbst. Und sieht die Konsequenzen.

Ähnlich wie schon in seinen vorherigen Werken schuf Jeff Nichols gezielt einen Film, der von einer sehr bestimmten Stimmung und Atmosphäre beherrscht wird. Zwar sieht das Publikum nicht viel vom Arkansas Delta, dennoch wirkt die Handlung perfekt in dieses eingebettet. Es scheint, Nichols besitzt eine amerikanische Stimme, die er in seinen Filmen überzeugend zu transferieren weiß. Wie bereits zuletzt in Take Shelter wäre auch Mud jedoch gelungener, hätte man den Schluss ambivalenter gehalten. Davon und von dem misslungenen Frauenbild abgesehen, gehört Nichols dritter Film jedoch fraglos zu den gelungensten Werken des Jahres und sein Regisseur zu den größten Hoffnungsträgern im Business.

7.5/10

Jagten

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Da werden die Männer zu Mäusen und die Mäuse zu Männern.

Schon Martin Luther sagte, eine Lüge sei wie ein Schneeball. „Je länger man ihn wälzt, desto größer wird er.“ Eine ähnliche Erfahrung muss auch Mads Mikkelsens Kindergärtner Lucas in Thomas Vinterbergs Jagten machen als ihn eines der Kinder des sexuellen Übergriffs bezichtigt. Er habe dem Kind seinen erigierten „Pippimann“ gezeigt – kurz darauf ist Lucas erst arbeitslos, dann seine Nase gebrochen, sein Sohn verprügelt und sein Hund ermordet. Bei Kindern hört der Spaß eben auf, das scheint auch Lucas zu ahnen als er erstmals von der Bezichtigung erfährt. Besondere Dramatik erhält das Szenario dann dadurch, dass es sich bei dem betroffenen Kind um die Tochter von Lucas’ besten Freund handelt.

Im vergangenen Jahr kam es in Deutschland laut dem Bundeskriminalamt zu 14.865 sexuellen Missbrauchsfällen mit Kindern, fast jeder Dritte davon (32,2 Prozent) durch Bekannte der Familie. Ähnlich wie Jodaeiye Nader az Simin entschließt sich Jagten, dem Publikum zu zeigen, dass der Protagonist unschuldig ist und beschränkt sich auf die Darstellung wie der Schneeball fortan gewälzt wird. Verschiedene Dinge bleiben daher außen vor, allen voran das vermeintliche Opfer in Person von Klara (Annika Wedderkop). Der Film spricht es zwar nicht an, aber es ist offensichtlich, dass das Mädchen an einer Zwangsneurose leidet – genauso wie unter ihrem zerrütteten Zuhause mit ihren beiden verstrittenen Elternteilen.

Diese verlieren Klara mehrfach aus den Augen, sodass sie auf sich allein gestellt durch das heimische Dorf wandert. In Lucas findet das Kind dann jene Fürsorge, die ihm daheim nicht vergönnt ist. Ein Liebesbeweis wird von dem Kindergärtner jedoch abgewiesen, was zur Lüge aus dem Mund des Mädchens führt. Die Leiterin der Tagesstätte alarmiert daraufhin die Polizei und setzt sich mit den Eltern zusammen, um sie zu informieren, dass ihre Kinder vermutlich alle missbraucht wurden, da eines der Symptome Albträume seien. Schnell ist Lucas vorverurteilt, was umso beeindruckender ist, da es sich dabei um Freunde aus seiner eigenen Jugend handelt. Angefangen mit Klaras Vater Theo (Thomas Bo Larsen).

Für Vinterberg ist Jagten ein Film über Liebe, Freundschaft und den Verlust von Unschuld. Ein wirkliches Gespür für diese Freundschaft bietet sein Film allerdings nicht. Zu schnell und bereitwillig wendet sich bis auf einen Freund – dieser allerdings nicht öffentlich – und seinen Sohn jeder von Lucas ab. Der Film lässt viele Fragen offen, beispielsweise wenn eine sich verlaufene Klara nicht jenen Supermarkt wiedererkennt, in dem ihre Familie scheinbar regelmäßig einkauft, dann aber problemlos alleine zu Lucas’ Haus findet. Offenbar geht ihr Vater öfters mit ihr zu Lucas als Einkaufen. Währenddessen wird Mikkelsens Figur immer mehr von der Identifikationsfigur zum Ärgernis – ein Opfer bleibt sie dabei durchweg.

„Du lässt dir zu viel gefallen, das hab ich immer gesagt“, muss sich Lucas da an einer Stelle auch von einem Freund sagen lassen. Dies soll von Vinterberg womöglich christlich konnotiert werden, gemäß Matthäus 5,39: „Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar“. Entsprechend ließe sich dann auch das absurde Finale lesen. Nur wirkt Lucas in seiner Passivität und seinem fehlenden Aufbegehren nicht gerade wie jemand, der tatsächlich unschuldig ist. Und wüsste es der Zuschauer nicht, würde man es ihm vermutlich auch nicht glauben. Eine entsprechende Ambiguität wie sie vergleichsweise der thematisch nicht unähnliche Doubt an den Tag legte, spart sich Vinterberg allerdings.

Vielleicht nicht die klügste Entscheidung wie Jagten sich zudem insgesamt zu oft selbst im Weg steht. So überzeugt Vinterbergs Geschichte letztlich weder wirklich als Film über sexuellen Kindesmissbrauch, noch als einer über Liebe, Freundschaft und Unschuldsverlust. Das Ende setzt dem Ganzen schließlich die Krone auf. Der polnische Schriftsteller Stanisław Jerzy Lec sagte mal, es gäbe keine ewigen Wahrheiten, ewige Lügen dagegen schon. In eine ähnliche Richtung zielte wohl Vinterberg, allerdings nicht im Dienste seines Protagonisten. Dieser wird von Mads Mikkelsen zwar eindringlich mit Bravour gespielt, nur verkommt sein Lucas eben auch zum Schluss weniger zum Mann und bleibt stattdessen eine Maus.

5/10

Blu-ray
Die Detailschärfe und Tiefe des HD-Transfers sind nahezu makellos ausgefallen, der Film wird dem Bild somit nicht gerecht. Auch die Tonspur überzeugt durch ihre Räumlichkeit und gute Verständlichkeit bei den Dialogen. In der Synchronfassung wird Mikkelsen nach fast einem Jahrzehnt wieder von Matthias Klie statt Lutz Schnell oder Axel Malzacher gesprochen (was wohl an Klies sanfterer Stimme lag). Vorzuziehen ist aber natürlich das dänische Original mit deutschen Untertiteln. Zu den Extras zählen ein paar geschnittene Szenen, die den Film noch tiefer geritten hätten als er bereits ist, und zwei kurze Interviews mit dem Regisseur sowie dem Hauptdarsteller.

Filmtagebuch: August 2013

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BLOOD
(UK 2012, Nick Murphy)
5.5/10

COCOON
(USA 1985, Ron Howard)
7/10

COCOON: THE RETURN[COCOON II - DIE RÜCKKEHR]
(USA 1988, Daniel Petrie)

6/10

CREATURE FROM THE BLACK LAGOON(3D)
[DER SCHRECKEN VOM AMAZONAS]
(USA 1954, Jack Arnold)

7/10

LA DOLCE VITA[DAS SÜSSE LEBEN]
(I/F 1960, Federico Fellini)

8.5/10

LA DOUBLE VIE DE VÉRONIQUE[DIE ZWEI LEBEN DER VERONIKA]
(F/PL/N 1991, Krzysztof Kieślowski)

5.5/10

DRACULA
(USA 1931, Tod Browning)
7/10

DRÁCULA
(USA 1931, George Melford)
6.5/10

FREE WILLY
(USA 1993, Simon Wincer)
6.5/10

GENERATION KILL
(USA 2008, Susanna White/Simon Cellan Jones)
7/10

GLENGARRY GLEN ROSS
(USA 1992, James Foley)
8/10

JAGTEN[DIE JAGD]
(DK 2012, Thomas Vinterberg)

5/10

KON-TIKI
(N/DK/S/UK/D 2012, Joachim Rønning/Espen Sandberg)
6.5/10

THE LONE RANGER
(USA 2013, Gore Verbinski)
7/10

MI MEFAHED MEZEEV HARA [BIG BAD WOLVES]
(IL 2013, Aharon Keshales/Navot Papushado)
7/10

MUD
(USA 2012, Jeff Nichols)
7.5/10

THE MUMMY[DIE MUMIE]
(USA 1932, Karl Freund)

6/10

THE MUMMY[DIE MUMIE]
(USA 1999, Stephen Sommers)

6/10

THE NEW WORLD(EXTENDED CUT]
(USA/UK 2005, Terrence Malick)

8/10

NOSFERATU, EINE SYMPHONIE DES GRAUENS
(D 1922, F.W. Murnau)
7/10

PAIN & GAIN
(USA 2013, Michael Bay)
5.5/10

THE PLACE BEYOND THE PINES
(USA 2012, Derek Cianfrance)
6.5/10

PIRANHA(3D)
(USA 2010, Alexandre Aja)

6.5/10

PRINCE AVALANCHE
(USA 2013, David Gordon Green)
7/10

SCRUBS - SEASON 5
(USA 2006, Bill Lawrence u.a.)
8/10

SCRUBS - SEASON 6
(USA 2006/07, John Putch u.a.)
7.5/10

SCRUBS - SEASON 7
(USA 2007/08, Bill Lawrence/Zach Braff u.a.)
8/10

SCRUBS - SEASON 8
(USA 2009, Bill Lawrence u.a.)
7.5/10

SIDE EFFECTS
(USA 2013, Steven Soderbergh)
4.5/10

SILVER LININGS PLAYBOOK[SILVER LININGS]
(USA 2012, David O. Russell)

1.5/10

SOMM
(USA 2012, Jason Wise)
6.5/10

THIS IS THE END[DAS IST DAS ENDE]
(USA 2013, Evan Goldberg/Seth Rogen)

5/10

TRANSFORMERS: DARK OF THE MOON[TRANSFORMERS 3]
(USA 2012, Michael Bay)

0.5/10

TROIS COULEURS: BLANC[DREI FARBEN - WEISS]
(F/PL/CH 1994, Krzysztof Kieślowski)

6.5/10

TROIS COULEURS: BLEU[DREI FARBEN - BLAU]
(F/PL/CH 1993, Krzysztof Kieślowski)

7/10

TROIS COULEURS: ROUGE[DREI FARBEN - ROT]
(F/PL/CH 1994, Krzysztof Kieślowski)

7/10

TRUE BLOOD - SEASON 6
(USA 2013, Howard Deutch/Scott Winant u.a.)
6/10

WELCOME TO THE JUNGLE
(USA/UK 2013, Rob Meltzer)
5.5/10

THE WOLF MAN[DER WOLFSMENSCH]
(USA 1941, George Waggner)

7/10

THE WOLFMAN[DIRECTOR’S CUT]
(USA 2010, Joe Johnston)

2.5/10

Somm

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It sounds so ridiculous because, you know, it’s ferment grape juice.

Es ist immer dasselbe, vor dem Weinregal stehend suche ich nach einem schicken Rebensaft, der Blick streift das Etikett mit der Aufschrift „Merlot“ und in meinem Kopf schreit Paul Giamatti “I’m not drinking any fucking Merlot!”. Sein Miles aus Alexander Paynes Meisterwerk Sideways ist zwar eigentlich Lehrer und kein Sommelier, dennoch ging mir sein Wutausbruch seither nie mehr aus dem Kopf. Wer die Frage, welcher Wein es denn sein darf, heutzutage richtig beantwortet, hinterlässt bei Umstehenden einen Eindruck als Fachmann. “Somms now have become the new rock stars of our industry”, sagt daher auch der Koch und Restaurantkettenbesitzer Michael Mina in Regisseur Jason Wises Sommelier-Dokumentation Somm.

Darin begleitete Wise drei Jahre lang vier Anwärter für die Auszeichnung zum Master Sommelier bei ihrer Prüfungsvorbereitung. Lediglich rund 170 Master wurden in den vergangenen 40 Jahren ausgezeichnet, ein höheres Qualitätssiegel kann es für einen Sommelier nicht geben. Zuerst begegnen wir Ian Cauble, einem der größten Talente der Szene, der bereits als Kind seine Nase für den Wein begeistern konnte. “Nothing else matters other than that liquid”, versichert er. Seine Kollegen nennen ihn “dad”, da Ian dazu neigt, sie zu belehren. Quasi der Gegenentwurf zu Ian ist Brian McClintic. “I wasn’t entrenched in this world like a lot of people are”, gesteht Brian, der aus Wettbewerbsgeist Master Sommelier werden will.

Denn für die Karriere als Profi-Baseball-Spieler hatte es nicht gereicht und die Schwierigkeit der Sommelier-Prüfung reizte McClintic, der erst ein Jahr zuvor zum Wein fand. Jene Prüfung besteht aus drei Tests in Form eines Theorie-, Service- und Blindverkostungsteils. Kein Zuckerschlecken, nennt der seit 2005 ausgezeichnete Reggie Narito, Jr. die Prüfung doch “the hardest thing I’ve ever done”. Man muss nicht nur wissen, aus welchem Land, welcher Region und welchem Gut der Wein komme, sondern auch unterscheiden können, ob ihm nun normale oder getrocknete Veilchen für sein Aroma zugeführt wurden. Komplettiert werden Brian und Ian in ihrer Vorbereitung dann zusätzlich durch Dustin Wilson und DLynn Proctor.

Sie fragen sich bis tief in die Nacht per Skype gegenseitig ab, treffen sich zu privaten Blindverkostungen und ziehen sich gegenseitig auf. “They’re like guys in the locker room…with wine bottles”, schmunzelt Brians Ehefrau Kristin. Während ihrer Prüfung haben sie rund vier Minuten und zehn Sekunden pro Wein Zeit, diesen zu beschreiben und einzuordnen. Gar nicht so leicht, angesichts von schwierigen langen Weinnamen deutscher Weingüter oder der allein in Italien existierenden 3.000 Traubensorten. Entsprechend beeindruckt ist Kristin McClintic dann, wenn sie Brian, Ian und Co. in ihrem Element erleben darf. “And at the same time they’re just egomaniacs who are so self-absorbed”, lacht sie zur selben Zeit.

Angesichts solcher Sommelier-Persönlichkeiten wie der Legende Fred Dames oder dem strebsamen Ian, der schnell pissig reagiert, wenn man ihn aufzieht, kein gewagtes Statement. “The hardest test you’ve never heard of”, propagiert Somm sicher nicht zu Unrecht hinsichtlich der Master Sommelier-Prüfung. Wie diese nun aber wirklich aussieht, abläuft und letztlich entschieden wird, zeigt Wise uns nur leider nicht im Finale. Aber auch die Prüflinge erfahren wohl nicht, welche Weine sie nun tatsächlich im Test blind verkostet haben. So gesehen bewegt sich die Dokumentation bedauerlicherweise nur an der Oberfläche der Szene, wie auch Ian und Brian etwas mehr im Fokus stehen als DLynn und allen voran Dustin.

Dafür schafft es Somm hinsichtlich der Auflösung, ob – und wenn ja: wer – es von den vier Protagonisten am Ende einer zum Master Sommelier geschafft hat, zu überraschen. Selbst wenn der Zuschauer nicht erfährt, wie dies letztlich abgelaufen ist. Interessant ist das Ganze jedoch allemal, auch da Ian, Brian, Dustin und DLynn durchaus sympathische Teilnehmer sind. “It sounds so ridiculous because, you know, it’s ferment grape juice. I mean, you know what I mean?”, kommentiert Brian an einer Stelle lachend das Szenario. Somm bietet somit speziell im Doppelpack mit Sideways einen unterhaltsamen thematischen Filmabend mit passendem Wein dazu. Natürlich nur solange kein “fucking Merlot” darunter ist.

6.5/10

Singapore Sling

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I’ll be in good company tonight.

Zu den Merkmalen des Film noir zählen Morde, Detektive und Femme fatales – insofern ist Nikos Nikolaidis’ 1990er Kunstfilm Singapore Sling fraglos zu jenem Genre dazuzuzählen. Und wen wundert es, versucht der Film doch eine Art inoffizielle Fortsetzung zu Otto Premingers Laura von 1944 zu sein. Ein angeschossener Detektiv (Panos Thanasoulis), später Singapore Sling getauft, ist auf der Suche nach seiner verschwundenen Geliebten Laura. Mit Mühe und Not rettet er sich zur Schwelle eines Anwesens, wo Lauras Fährte endet. Die zwei Hausherrinnen, eine Mutter (Michelle Valley) und ihre Tochter (Meredyth Herold), wissen um Laura Schicksal Bescheid, haben sie diese doch vor drei Jahren ermordet.

“In the state I was in things couldn’t get any worse”, sinniert der Detektiv zu Beginn noch in der klassischen Erzählstimme. Dass er sich in seiner Einschätzung geirrt hat, macht der Film in den folgenden anderthalb Stunden deutlich. Kurzerhand fällt dann nämlich die Tochter über den bewusstlosen Ermittler her, ehe sie von ihrer Mutter unterbrochen wird. An ein Bett gefesselt wird der arme Kerl in den folgenden Tagen mehrfach von den Frauen vergewaltigt, über ihn erbrochen, auf ihn uriniert und er generell sexuell erniedrigt. “This routine case wasn’t what I had reckoned after all”, wird er gegen Ende rekapitulieren. Und wie sein Fall kein gewöhnlicher ist, verhält es sich letztlich auch mit Nikolaidis’ Film selbst.

Trotz etwaiger provokativer Obszönitäten – oder wohl eher gerade wegen dieser – erachtete der griechische Regisseur seinen Film insgeheim eigentlich als eine Komödie. Die Fressgelage bis man sich erbricht, Selbstbefriedigung mit einer Kiwi und inzestuösen Sexspiele mit der Mutter oder dem mumifizierten Vater sorgten scheinbar für jede Menge Spaß am Set. Singapore Sling nimmt sich erkennbar zu keinem Punkt ernst, sodass Slapstick bereits in der Eröffnungsszene Einzug findet, wenn Mutter und Tochter bei strömendem Regen den ausgeweideten Chauffeur im Garten beerdigen. Für humoristische Auflockerungen sorgen zudem immer wieder die weiblichen Figuren, die ohnehin ganz klar im Zentrum stehen.

Zwar sind sie durchweg die Femme fatales, aber stehen nicht hinter dem Ermittler zurück. Seine Frauenfiguren, so der Regisseur im Bonusmaterial, dürfen männliche Charakterzüge tragen – also stehlen, vergewaltigen und töten. Sie sind es, die über die Kontrolle verfügen und dennoch die Opfer von Männern bleiben. So berichtet die Tochter, dass ihr Vater sie mit elf Jahren entjungfert hätte, wie er es auch war, der mit dem Morden der Bediensteten anfing. “Corpses were the best fertilizer”, rezitiert ihn die Tochter glucksend, die gemeinsam mit der Mutter den Patriarch schon lange selbst getötet hat. Freiheit hatte dies dennoch nicht zur Folge, wie das Hörigkeitsverhältnis zwischen den Frauen zum Ausdruck bringt.

“That woman out there won’t let me smoke”, lamentiert die Tochter ein ums andere Mal an den Zuschauer oder Singapore Sling gerichtet. Die Mutter referiert ihr Kind derweil gerne als “that bitch daughter of mine” und frönt zudem ihrem Tick, das meiste was sie sagt nochmals ins Französische zu übersetzen. Um die Tochter in Zaum zu halten, spielt die Mutter gerne einen Herzinfarkt vor, die Tochter selbst scheint durch den Inzest sichtlich gestört, sowohl psychisch als auch sexuell. Die reine Anwesenheit eines Mannes im Haus führt bei ihr zu merkbarer Erregung und es ist dann natürlich auch jener Mann, der schließlich einen Keil zwischen die beiden Frauen treibt und das dramatische Finale herbeiführt.

Auf fast zwei Stunden gedehnt geht einem die Naivität der Tochter und ihr manisches Gehabe trotz des bemerkenswerten Spiels von Meredyth Herold allerdings mit der Zeit verstärkt auf den Zeiger, während wiederum Panos Thanasoulis’ Detektiv nach dem ersten Akt eigentlich nur noch als Requisite für die beiden Frauenfiguren fungiert. Schick-schockierend ist es dann zwar schon, wenn Früchte zur Masturbation herhalten müssen, nur lässt es leider wie so vieles in Nikolaidis’ Film einen wirklichen Kontext vermissen. Weitaus weniger skandalös als sein Ruf erahnen lässt, ist Singapore Sling als Akkumulation von provokativem Avantgardefilm und Film noir dennoch ganz nett geraten. Mehr allerdings leider auch nicht.

5.5/10

Blu-ray
Der HD-Transfer der Blu-ray überzeugt durch einen gefälligen Schwarz-Weiß-Kontrast und Detailschärfe, ebenso zufriedenstellend ist die klar verständliche Mono-Tonspur ausgefallen. Neben einem Interview mit Nikolaidis über seine Filmografie – das jedoch auf keinen der Filme analytisch eingeht – ist mit Directing Hell eine über einstündige Dokumentation von Christos Houliaras über Nikolaidis und sein Schaffen enthalten. Das Bonusmaterial wird abgerundet durch das für das Bildstörung-Label obligatorische Booklet mit einem informativen Essay von Gerd Reda über die Beziehung des Films zu Premingers Laura sowie Nikolaidis’ Filmografie.

Riddick

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One down... Three down. You see where I’m going with this?

Im Falle des Sprichwortes „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ kommt einem vermutlich nicht direkt Marc Sinclair aka Vin Diesel in den Kopf. Als einer der vielversprechendsten Action-Stars ins 21. Jahrhundert gestartet, landete Diesel bald wieder auf dem Boden der Tatsachen. Inzwischen verbrachte er die letzten vier Jahre damit, „Dominic Toretto“ und damit seine erfolgreichste Filmfigur zu sein. Die jüngste Fast & Furious-Trilogie spielte weltweit über 1,7 Milliarden Dollar ein und verhalf Diesel, zugleich Produzent der Reihe, zu einem stattlichen Vermögen. Neben Dominic Toretto besonn sich Diesel dieses Jahr auch auf seine Rolle als Richard B. Riddick – jene Figur, die ihm vor 13 Jahren zum Durchbruch verhalf.

David Twohys Pitch Black machte Diesel bekannt, als ein lässig-cooler vermeintlicher Soziopath mit einer Schwäche für Altruismus. Und obschon die Fortsetzung The Chronicles of Riddick2004 nicht wie erwartet von Erfolg gekrönt war, führte die nicht abebbende Faszination für Diesels Antihelden dazu, dass dieser nun nach fast einem Jahrzehnt in Riddick, einem nach ihm selbst benannten Sequel, wieder auf der Bildfläche erscheint. Wie in den Vorgängern strandet Riddick (Vin Diesel) erneut auf einem tödlichen Planeten, wo seine Überlebensqualitäten gefragt sind. Von den Necromongern um Vaako (Karl Urban) verraten, alarmiert Riddick einige Kopfgeldjäger, um mit ihrem Schiff entkommen zu können.

Daraufhin entwickelt sich fortan ein Abzählreimschema, wenn sich erst Riddick und danach die indigenen Kreaturen der Kopfgeldjäger annehmen. Die wiederum teilen sich auf in die Gruppe um Santana (Jordi Mollà) und Diaz (Dave Bautista), die primär auf die Belohnung aus sind, und in die Gruppe um Boss Johns (Matt Nable) und Dahl (Katee Sackhoff), die sich von Riddick Antworten darauf versprechen, was vor zehn Jahren mit Boss Johns’ Sohn in den Ereignissen in Pitch Black passiert ist. Für Riddick selbst ist dies einerlei, bringt den Furyaner doch nicht einmal ein nahender Sturm und die damit verbundene buchstäbliche Überschwemmung mit tausenden unter der Erde lebender Monstrositäten wirklich außer Fassung.

Insofern folgt Riddick also über weite Strecken seinen beiden Vorgängern, insbesondere dem Original. Ähnlich wie in diesen wird die Handlung von einer Erzählstimme der Figur eingeleitet, was bereits im zweiten Teil eher deplatziert wirkte und hier noch verkrampfter daherkommt. Verbrachte Chronicles nur einen Teil seiner Laufzeit auf dem Planeten Crematoria und schickte sich ansonsten eher als Weltraumtravestie à la Dune an, verortet sich der dritte Film nun erneut fest auf einer unwirtlichen Oberfläche. Und wenn Riddick sich im ersten Akt nahezu allein erst einmal zurechtfinden muss, dann ist dies ebenso gelungen wie seine späteren Spielereien mit den etwaigen Kopfgeldjägern auf Leben und – allen voran – Tod.

Die Figur scheint stets unter Kontrolle, selbst in Szenen, in denen sie sie nicht besitzt. Das macht den Reiz von Riddick aus und ihn so sehenswert. Problematisch fallen dagegen die Dialoge des Drehbuchs aus. Oft abgedroschen und lächerlich – was aber auch an der Synchronisation liegen kann – schaden sie dem Film mehr als sie ihm helfen. Würde halb so viel gebabbelt, wäre das Ganze gleich viel ansprechender. Das Ende wirkt ebenfalls nicht sonderlich rund und eher antiklimatisch, da hat man sich als Zuschauer gerade nach dem zweiten Akt mehr versprochen. Auch Sackhoffs vermeintliche lesbische Figur und etwaige daraus folgernde Anspielungen von Riddick, Santana und Co. verursachen primär Scham.

David Twohys dritter Riddick-Streich macht sich also sein Leben sehr viel schwerer als nötig gewesen wäre, ist die Action ansonsten doch imposant, die Figuren interessant und die visuellen Effekte überzeugend. Gerade die ersten 20 Minuten zeigen dabei, dass es für einen guten Riddick-Film eigentlich nur des Charakters selbst bedarf. So erreicht Riddick zwar nicht wirklich die Klasse von Pitch Black oder The Chronicles of Riddick, speziell für Fans des Furyaners ist der dritte Ausflug von Diesels Durchbruchsrolle aber allemal eine Sichtung wert. Der Amerikaner wiederum hat weitere Filme mit Riddick nicht ausgeschlossen und somit verinnerlicht, dass es sich für Schuster durchaus lohnen kann, bei ihren Leisten zu bleiben.

6/10

Deadwood - Season One

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I owe you a penny.

Gemeinhin gilt der Wilde Westen als Herberge für Cowboys, Prostituierte und Saloons, dazu noch des Goldrauschs und jede Menge Gesetzloser. Und an nur wenigen Orten war die gesetzlose Reputation seiner Zeit derart hoch wie in Deadwood, South Dakota. Angelockt vom Goldrausch wurde diese in heutigen Tagen rund 1.300 Einwohner umfassende Stadt 1876 im exterritorialen Siouxgebiet als Lager gegründet und war somit nicht Teil des Dakota-Territoriums. Ein Gesetz wie andernorts existierte somit in dieser Form nicht in Deadwood – was wiederum erklären mag, wieso die Geschichte der Stadt Serienschöpfer David Milch (NYPD Blue) dazu animierte, sie 2004 in einer HBO-Serie wieder auferstehen zu lassen.

Die Vorgaben könnten für eine HBO-Produktion besser nicht sein. Deadwood gibt ein abgeschlossenes Set für sich ab, das nur selten die Geschichte aus seinen zentralen Handlungsorten verlagert. Und da einer von diesen ein Bordell darstellt, ist für die obligatorische Fleischbeschau des Senders zugleich gesorgt. Mit einer Quote von 1.56 “fuck”-Äußerungen pro Minute und zahlreichen Morden ist auch dessen restliches Repertoire abgedeckt. Mit den Western von Bud Spencer und Terence Hill hat dies ebenso wenig gemein wie mit denen eines Sergio Leone. Deadwood, das zeigt sich früh, ist eine HBO-Serie durch und durch. Zwar mit keiner nennenswerten Handlung, aber rund einem Dutzend illustrer Charaktere.

In deren Mittelpunkt stehen der intrigante Al Swearengen (Ian McShane), Besitzer des Gem Saloons und Bordells sowie im Opiumhandel verstrickt, und Seth Bullock (Timothy Olyphant), ein ehemaliger U.S. Marshal, der mit seinem Geschäftspartner Sol Star (John Hawkes) eine Eisenwarenhandlung in Deadwood eröffnet. Der verdorbene Swearengen und der aufrechte Bullock geraten im Laufe der ersten Staffel mehrmals aneinander, nicht nur als es darum geht, dass Bullock und Star ihr Pachtgrundstück von Swearengen erstehen. Die übrigen Bewohner verteilen sich in etwa zwischen diese beiden Lager, vom umtriebigen Hotelbesitzer E.B. Farnum (William Sanderson) bis zum Zeitungsmann A.W. Merrick (Jeffrey Jones).

Allesamt historisch belegte Figuren, die noch durch die Gruppe von Wild Bill Hickok (Keith Carradine), Charlie Utter (Dayton Callie) und Calamity Jane (Robin Weigert) ergänzt werden. Das Ensemble komplettieren dann der Lagerarzt Doc Cochrane (Brad Dourif) und der lokale Reverend Smith (Ray McKinnon), die New Yorkerin Alma Garret (Molly Parker), deren Mann dem Goldrausch folgte und ein umkämpftes Grundstück erwarb, der zu Swearengen konkurrierende Bordellbesitzer Cy Tolliver (Powers Boothe) sowie die beiden in den jeweiligen Bordellen angestellten Huren Trixie (Paula Malcomson) und Joanie (Kim Dickens). Was Einfluss, Macht und Intrigenspiel angeht, reicht jedoch keine von ihnen an Swearengen heran.

Obschon Deadwood zwar um einen authentischen Anspruch bemüht ist – so erfährt selbst der Pockenausbruch von 1876 kurzzeitig einen Einzug in die Handlung –, ließ sich Milch viele Freiheiten bei den historischen Figuren. Charlie Utters Bruder Steve fehlt entsprechend ebenso wie die Familie von E.B. Farnum – der ohnehin weitaus tölpelhafter dargestellt wird als sein Alter Ego – und Seth Bullocks Frau wird kurzerhand zur angeheirateten Witwe seines Bruders (und seine Tochter zu deren von ihm adoptierten Sohn), damit Bullock romantisch mit Mrs. Garret gepaart werden kann. Eine Geschichtsstunde sollten Western-Interessierte folglich nicht erwarten, bei aller Anlehnung an den wirklichen Begebenheiten von 1876.

Und trotz einer Laufzeit von rund zwölf Stunden hat die Serie relativ wenig zu erzählen. So gibt es kleinere Themenpunkte wie die Ermordung von Wild Bill Hickok, der Pockenausbruch oder das Gold-Grundstück von Mrs. Garret, als roter Faden zieht sich der Willen der Einwohner um Swearengen, zum Dakota-Territorium annektiert zu werden, durch die erste Staffel. Die Klasse von Deadwood verdankt sich somit weniger dessen, was passiert, als vielmehr der darin verwickelten Protagonisten. Es handelt sich um eine Charakterserie, die ihren Figuren genug Raum zum Atmen lässt und somit selbst Rollen aus der dritten Reihe wie Swearengens verkrüppelter Putzfrau Jewel (Geri Jewell) Leben einhaucht.

Allen voran der hier grandiose Brad Dourif sowie die nicht minder beeindruckende Robin Weigert gewinnen in ihren Rollen als altruistischer Lagerarzt und versoffene Westernheldin die Sympathien des Zuschauers (und wurden verdientermaßen für einen Emmy Award nominiert), aber auch Figuren wie Dayton Callies loyaler Charlie Utter und John Hawkes’ Gutmensch Sol Star sind ein Genuss. Kaum ein Charakter erhält keine positiven Züge, selbst diejenigen, die sich am ehesten als Antagonisten qualifizieren. Und auch wenn das Bühnen- sowie das Masken- und Kostümbild den Stil von Deadwood nachzuempfinden versuchen, führt nichts daran vorbei, dass die Serie nur wegen ihrer Figuren funktioniert.

Dank seines schließenden Charakters unter manchen Subplot nimmt das Staffelfinale Sold Under Sin qualitativ eine herausragende Stellung ein, aber auch die Episoden Mister Wu und Deep Water stechen heraus. Für zwei von diesen war Davis Guggenheim (Waiting for ‘Superman’) als Regisseur verantwortlich, der neben Walter Hill – der den Piloten Deadwood inszenierte – und Alan Taylor (u.a. Game of Thrones) den prominentesten Namen hinter der Kamera darstellt. Deadwood macht so manches besser als der nicht unähnliche HBO-Kollege Rome, ist dabei oftmals ausgesprochen humorvoll geraten und durch die schillernden Figuren nur selten uninteressant. Oder anders gesagt: sehr salo(o)nfähig.

7.5/10

Filmtagebuch: September 2013

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BEHIND THE CANDELABRA[LIBERACE]
(USA 2013, Steven Soderbergh)

7/10

THE BLING RING
(USA/UK/F/D/J 2013, Sofia Coppola)
6.5/10

BREAKING BAD - SEASON 5: PART II
(USA 2013, Michelle MacLaren u.a.)
8/10

BULLET TO THE HEAD[SHOOTOUT - KEINE GNADE]
(USA 2012, Walter Hill)
4.5/10

CESAR’S GRILL
(EC/CH/D 2013, Dario Aguirre)
5/10

COMPLIANCE
(USA 2012, Craig Zobel)
3.5/10

COMPUTER CHESS
(USA 2013, Andrew Bujalski)
4/10

THE CONJURING[CONJURING - DIE HEIMSUCHUNG]
(USA 2013, James Wan)

3.5/10

DEADWOOD - SEASON 1
(USA 2004, Davis Guggenheim u.a.)
7.5/10

DEXTER - SEASON 8
(USA 2013, John Dahl/Ernest Dickerson u.a.)
6.5/10

ESCAPE FIRE: THE FIGHT TO RESCUE AMERICAN HEALTHCARE
(USA/CN/D 2012, Susan Frömke/Matthew Heineman)
6/10

FILTH[DRECKSAU]
(UK 2013, Jon S. Baird)

3/10

FREDDY VS. JASON
(CDN/USA/I 2003, Ronny Yu)
3/10

FRIDAY THE 13TH[FREITAG, DER 13.]
(USA 1980, Sean S. Cunningham)

5.5/10

THE GIRL
(UK/USA/ZA/D 2012, Julian Jarrold)
4.5/10

GRAVITY(3D)
(USA/UK 2013, Alfonso Cuarón)

8/10

LO IMPOSIBLE[THE IMPOSSIBLE]
(E 2012, Juan Antonio Bayona)

5.5/10

JEUNE & JOLIE[JUNG & SCHÖN]
(F 2013, François Ozon)

8/10

JURASSIC PARK(3D)
(USA 1993, Steven Spielberg)

8.5/10

LEVIATHAN
(USA/UK/F 2012, Lucien Castaing-Taylor/Verena Paravel)
5.5/10

THE LONELIEST PLANET
(USA/D 2011, Julia Loktev)
6.5/10

EINE MÖRDERISCHE ENTSCHEIDUNG
(D 2013, Raymond Ley)
4/10

MYSTERY SCIENCE THEATRE 3000: ‘MANOS’ THE HANDS OF FATE
(USA 1993, Joel Hodgson)
5/10

MYSTERY SCIENCE THEATRE 3000: MITCHELL
(USA 1993, Kevin Murphy)
3/10

MYSTERY SCIENCE THEATRE 3000: SOULTAKER
(USA 1999, Kevin Murphy)
7/10

THE NEWSROOM - SEASON 2
(USA 2013, Alan Poul u.a.)
7/10

NO
(RCH/USA/F/MEX 2012, Pablo Larraín)
7/10

OXYANA
(USA 2013, Sean Dunne)
1/10

PARKER
(USA 2013, Taylor Hackford)
5/10

THE PHILOSOPHERS
(UK/RI 2013, John Huddles)
5.5/10

PRISONERS
(USA 2013, Denis Villeneuve)
6.5/10

RIDDICK
(USA/UK 2013, David Twohy)
6/10

SHADOW DANCER
(UK 2012, James Marsh)
5.5/10

SINGAPORE SLING
(GR 1990, Nikos Nikolaidis)
5.5/10

SOUPÇONS[THE STAIRCASE]
(F 2004, Jean-Xavier de Lestrade)

8/10

STORIES WE TELL
(USA 2012, Sarah Polley)
7/10

WORLD WAR Z[UNRATED CUT]
(USA/M 2013, Marc Forster)

3/10

Prisoners

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Pray for the best, but prepare for the worst.

Die Ohnmacht und Verzweiflung von Eltern, deren Kind verschwunden ist und womöglich entführt wurde, kann man sich vermutlich nicht mal vorstellen. Um das eigen Fleisch und Blut wieder in seinen Armen zu wissen, würden wahrscheinlich viele Menschen allerlei Dinge tun. Umso eher, je weniger erfolgversprechend die Ermittlungen der Polizei verlaufen. Diese Erfahrung muss auch Hugh Jackmans aufgerüttelter Familienvater Keller Dover in Denis Villeneuves Krimi-Thriller Prisoners machen, als seine junge Tochter sowie die seines Freundes und Nachbarn Franklin Birch (Terrence Howard) am Thanksgivingmittag verschwinden. Und obwohl sich auch schnell ein Hauptverdächtiger findet, gerät der Fall ins Stocken.

Zwar fährt Alex Jones (Paul Dano) ein Wohnmobil, das dem vermeintlichen Tatfahrzeug entspricht, dennoch lässt ihn der ermittelnde Kriminalbeamte Loki (Jake Gyllenhaal) wieder laufen. Jones habe den Verstand eines Zehnjährigen, so die Argumentation. Eine solche Person kann kein derartiges Verbrechen durchführen. Für Dover keine zufriedenstellende Antwort, speziell nicht, als Jones bei seiner Entlassung eine geflüsterte Andeutung an ihn macht. Während seine Frau (Mario Bello) ihren Kummer in Schlaf und Medikamenten ertränkt, nimmt Dover die Ermittlungen in seine eigenen Hände und entführt Jones zum Privatverhör. Unterdessen stößt Loki auf einen rätselhaften Todesfall und einen neuen Verdächtigen.

Relativ früh gibt Prisoners die Marschroute vor, möglichst viele Haken schlagen zu wollen, um das Publikum auf diese Weise bei der Stange zu halten. Dank Platzierung auf dem Poster darf sich dabei jeder gewiss sein, dass alles, was Villeneuve hier in zweieinhalb Stunden auf die Leinwand wirft, miteinander irgendwie zusammenhängt. Selbst wenn es zeitweilig von der Bildfläche verschwindet. In seinem Bestreben, mit etwaigen Twists für einen Wow-Faktor und abgebrochene Fingernägel in den Armlehnen zu sorgen, tut sich der Film jedoch gerade in seiner zweiten Hälfte keinen wirklichen Gefallen. Viel geschieht nur, um auf eine falsche Fährte zu locken und offenbart sich in der Nachbetrachtung als Ansatz zum Grübeln.

Da freut man sich dann schon, wenn Jackman ebenso erstaunt wie der Zuschauer nachfragt, wieso Danos geistig zurückgebliebener Charakter einen Wohnwagen fahren darf. “Well, he has a legal Pennsylvania license”, lautet Lokis lapidare Antwort. So viel dazu. Charakterdetails wie Dovers Tendenz zur Überpräparation – Vorräte und Gasmasken im Keller schützen vor allerlei Unheil außer Kindesentführung – werden für sekundenlange Spannungsmomente verwurstet und sorgen schließlich neben ellenlangen Folterszenen an Alex Jones dafür, dass sich der Film über zwei Stunden hinzieht. Vorteilhaft ist immerhin, dass man ihm diese Länge nur selten anmerkt, was sie im Umkehrschluss dennoch keineswegs rechtfertigt.

Die teilweise unnötigen Twists führen dann dazu, dass das Finale etwas konstruiert wirkt, wie es ohnehin nicht all das Bohai der zwei Stunden zuvor vollends rechtfertigen will. Immerhin ist das Schlussbild reichlich stimmig geraten und Prisoners lebt ohnehin weniger von seiner Handlung als vielmehr von seinen Darstellern. Die meisten von ihnen, allen voran Bello, aber auch Davis, Howard und Dano sind nicht sonderlich gefordert, sodass der Film ganz den auf dem Plakat namentlich geführten Herren Jackman und Gyllenhaal gehört. Letzterer irritiert allerdings bisweilen mit seinem Tick zum exorbitanten Blinzeln, was ein Drogenproblem der Figur vermuten lässt, welches diese dann aber doch nicht zu besitzen scheint.

Gerade Hugh Jackman spielt hier groß auf und liefert eine mitreißende Darbietung als seine Humanität verlierender Vater ab, die mit dafür verantwortlich ist, dass man als Zuschauer – mehr oder weniger – gebannt das Geschehen verfolgt. Dessen Mysterium um das Verschwinden der beiden Mädchen, ob Alex Jones in diesem unschuldig oder nicht ist und ob Keller Dover beziehungsweise Loki die Kinder retten können, ehe es zu spät ist – das alles macht Prisoners nicht zu einem der besten Filme oder Thriller dieses oder der letzten Jahre, sehenswert ist das Ergebnis aber durchaus. Und für Zuschauer, die den Film selbst als Elternteil schauen, ist das Spannungsmoment sicherlich nochmals eine ganze Spur intensiver.

6.5/10
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