It’s a beautiful, beautiful thing, this thing of cinema.(David Lynch)Zwar etwas später als sonst üblich soll der obligatorische Rückblick auf das zurückliegende Jahr aber auch auf diesem (Film-)Blog nicht ausbleiben. Die Veteranen unter meinen LeserInnen wissen, das nun viel Blabla über private wie internationale Sehgewohnheiten folgt, nebst Favoritenkür in verschiedenen Rubriken und ein Fazit über die Trends der vergangenen zwölf Monate. Ungeduldige – oder Desinteressierte – dürfen wie gewohnt direkt ans Ende des Beitrags zu meiner Top Ten scrollen, die Übrigen nehme ich wieder mit auf eine kleine Reise, deren Anfang sich bei meiner erneut verstärkten Verschiebung ins Heimkino finden lässt. Hier habe ich nämlich erstaunliche 139 Filme konsumiert, im Kino derweil nur 40.
Wer stark im Kopfrechnen ist, kommt somit auf 179 Filmen insgesamt, was gegenüber
2012 (161) nochmals eine Steigerung darstellt – eben auch dank Heimkinosichtungen. Als Folge ging es also weniger ins Kino (statt 46 nur 40 Mal) und dafür wurden mehr internationale Indie-Produktionen per Video-on-demand und auf Disc begutachtet. Immerhin 25 dieser 40 Kinobesuche gingen dabei auf Pressevorführungen zurück, die gerade zum Ende des Jahres hin allerdings abgenommen haben. Und somit auch der Anteil meiner „gratis“ Kinobesuche gegenüber den sonst regulären Ticketlösungen der Vorjahre. Zwei Mal lockte mich unterdessen lediglich Alfonso Cuaróns Sci-Fi-Film und Überraschungserfolg
Gravity ins Kino.
Dieser wurde nicht nur bei Kritikern durch die Bank gelobt und von Kollegen wie James Cameron gar zum Meisterstück verklärt, sondern selbst die Zuschauer sprangen auf das Orbit-Abenteuer an. So schaffte es
Gravity in die Top Ten der erfolgreichsten Filme des Jahres und wurde in der Internet Movie Database (IMDb) mit einer Wertung von 8.3/10 der zweitpopulärste Film des Jahres
(Stand: 31.12.2013). Damit setzte er sich gegenüber Thomas Vinterbergs Pädophilie-Drama
Jagten (8.2/10) durch, der auf Platz 3 einlief, allerdings hatte
Gravity zugleich gegenüber Quentin Tarantinos jüngstem Erfolg
Django Unchained (8.4/10) das Nachsehen. Zu den drei erfolgreichsten Filmen des Jahres zählte dennoch keiner davon.
Im Gegensatz zum Vorjahr vermochte mit
Iron Man 3 nur ein Film die Grenze von einer Milliarde Dollar Einspiel zu überwinden und wurde insofern relativ ungefährdet der klare Sieger des Kinojahres 2013. Ähnlich wie
Thor: The Dark World profitierte Shane Blacks Marvel-Sequel dabei wohl vom
Avengers-Erfolg des Vorjahres. Wenig verwunderlich ist, dass auch die Plätze 2 und 3 mit Fortsetzungen besetzt sind.
Despicable Me 2 avancierte zum ersten Verfolger von Tony Stark und steigerte sich gegenüber seinem ersten Teil zugleich um starke 69 Prozent. Kurz vor Schluss überholte
The Hunger Games: Catching Fire zudem noch
Fast & Furious 6 und beanspruchte damit die Bronze-Medaille für sich.
Immerhin waren Vin Diesel und Co. die unangefochtenen Könige der bulgarischen Kinos, wo
Fast & Furious 6 die Pole Position einnahm. Ähnliches vollbrachte auch Jennifer Lawrences
Catching Fire– wenn auch nur in den schwedischen Lichtspielhäusern. Mehr vorzuweisen hat da schon
Despicable Me 2, der nicht nur in Südafrika, sondern auch in der Schweiz, den Niederlanden sowie Frankreich und Großbritannien zum Jahressieger wurde. Im Vereinigten Königreich konnte Gru dabei
Les Misérables in die Schranken weisen – die Briten hatten schon vor einigen Jahren mit
Mamma Mia! ihre Affinität für Musicals zum Ausdruck gebracht. In Spanien amüsierten sich die Iberer derweil am Überraschungserfolg
The Croods.
Dass die Belgier gut auf
The Smurfs 2 zu sprechen waren, dürfte nicht so überraschend sein, dass die Schlümpfe jedoch auch in Balkanstaaten wie Kroatien, Serbien, Slowenien und der Slowakei die Nummer Eins wurden, schon eher. Der vierte Animationsfilm im Bunde, Pixars
Monsters University, zog wiederum Argentinier, Kolumbianer und Uruguayer in seinen Bann – und machte sie zu amerikanischen Außenseitern. Denn in Brasilien, Bolivien, Venezuela, Ecuador, Mexiko und den USA schoss
Iron Man 3 an die Spitze, genauso wie in Ungarn. Lachender Dritter war da Peru, das mit
Asu mare unterdessen eine einheimische Produktion begünstigte. Und damit waren sie 2013 wieder einmal nicht alleine.
Fast schon Tradition ist, dass Italiener eine einheimische Komödie bevorzugen – in diesem Fall
Sole a catinelle. Auch Polen (
Drogówka), Tschechen (
Babovřesky) und Türken (
CM101MMXI Fundamentals) zeigten sich wieder mal patriotisch, wie auch die Asiaten. So erklomm in China Stephen Chows
Xi you xiang mo pian die Spitze, in Südkorea
7-beon-bang-ui seon-mul, in Japan Miyazaki-sans finaler Film
Kaze tachinu sowie in Thailand
Pee Mak Prakanong und in Indien
Yeh jawaani hai deewani. Nationale Produktionen waren auch bei den Skandinaviern der Hit. Die Dänen sahen
Kvinden i buret, die Norweger
Solan og Ludvig – Jul i flåklypa und die Finnen
21 tapaa pilata avioliitto. Und was war in Deutschland?
Auch hierzulande verdrängte kurz vor Jahresschluss noch ein deutscher Film
Django Unchained von Platz 1. Und immerhin handelte es sich diesmal dabei nicht um ein Werk des Triumvirats des Schreckens (Schweiger, Schweighöfer, Herbig), sondern um Bora Dagtekins Pauker-Zote
Fack Ju Göhte!, über die sich mehr als 4,6 Millionen Deutsche scheckig lachten. Allerdings schafften es auch die üblichen Verdächtigen in die Jahrescharts, landeten
Kokowääh 2 und der
Schlussmacher doch auf den Plätzen 7 und 8. Weitaus größere Exoten waren da schon
Gravity,
The Wolverine und
Last Vegas, die sich jeweils an die Spitze der Kinocharts in den Ländern Griechenland, Nigeria und Ägypten setzten. Wer hätt’s gedacht?
Ein echter Gewinner des Jahres war allerdings auch Ben Affleck. Vor zehn Jahren bereits abgeschrieben, hielt er im Frühjahr für
Argo seinen zweiten Oscar in den Händen. So groß ist wieder das Vertrauen in den Bostoner Burschen, dass man ihm das Batman-Erbe anvertraute, für Zack Snyders Fortsetzung zur Zerstörungsorgie
Man of Steel. Auch Jennifer Lawrence war dank Oscargewinn und
Hunger-Franchise eine Gewinnerin und zudem
everybody’s darling. Ganz so ist es bei Melissa McCarthy nicht, doch mit
The Heat und
Identity Thief lieferte sie zwei veritable Comedy-Hits ab. Ebenso wie Regisseur James Wan, der mit seinem 20-Millionen-Grusel-Best-of
The Conjuring immerhin fast 300 Millionen Dollar Gewinn einfuhr.
Zahlen, an die im Gaming-Bereich allenfalls
Grand Theft Auto V,
Call of Dury: Ghosts und Co. heranreichen dürften. Das unterhaltsamste Spiel war jedoch keines davon, auch nicht
Batman: Arkham Origins oder
The Last of Us. Allesamt keine schlechten Spiele, nur bisweilen wenig originell. Vielmehr legte Crystal Dynamics mit dem Lara Croft-Reboot
Tomb Raider den klaren Sieger des Jahres vor. Und wo wir schon bei „Serien“ sind: Fand Showtimes
Dexter ein unsägliches Ende, zeigte Vince Gilligan mit dem zweiten Teil der fünften Staffel von
Breaking Bad nicht nur, wie ein Serienfinale auszusehen hat, sondern wie eine Serie sich Jahr für Jahr von Durchschnitt zum internationalen Klassenprimus wandeln konnte.
Internationale Klasse lieferten 2013 auch wieder zuvorderst die weiblichen Darstellerinnen ab, von denen Cate Blanchett in Woody Allens
Blue Jasmine als alkoholgeschwängerte Witwe, die sich der (finanziellen) Realität stellen muss, am meisten Eindruck hinterließ. So wie der junge Conner Chapman als bester Newcomer in Clio Barnards Sozialdrama
The Selfish Giant als Problemkind mit Aufmerksamkeitsdefizit und/oder Verhaltensstörung. Effektiv mit seiner Rolle verschmolz Michael Douglas als homosexueller Las Vegas-Entertainer Liberace in Steven Soderberghs HBO-Biopic
Behind the Candelabra, was ihm verdientermaßen einen Emmy und vermutlich in Kürze auch einen Golden Globe einbringen wird.
Was bleibt vom Filmjahr 2013? Klar, 3D-Konvertierungen, die jedoch immer noch nirgends überzeugen. Dass Filme auch erfolgreich ohne den Aufpreis laufen können, haben
Fast & Furious 6 sowie
Catching Fire gezeigt. Ansonsten regieren natürlich die Sequels, auf die nun sogar Pixar augesprungen ist. Wobei auch originäre Filme wie
Gravity und
The Croods noch Platz in der Top Ten der einträglichsten Filme fanden. Es war letztlich kein großes, aber auch kein allzu schlechtes Jahr. Im Folgenden sollen meine zehn Jahresfavoriten vorgestellt werden, eine vollständige Liste aller von mir gesehenen Filme lässt sich auf
Letterboxd einsehen, die Runner Ups und Flop Ten findet sich wie gehabt als erster Kommentar:
10.The Great Gatsby (Baz Luhrmann, USA/AUS 2013): Bildgewaltig und glamourös – willkommen in der Welt von Baz Luhrmann, Hollywoods Mann fürs extravagant Tragische. Was eignet sich also mehr für den Australier als eine Adaption von F. Scott Fitzgeralds Weltroman
The Great Gatsby, einer tragischen Liebesgeschichte und zugleich kritischer Sozialkommentar zur Pervertierung des American Dream? Luhrmann gelingt erneut ein Fest für die Sinne, wenn er eine perfekte Welt für unperfekte Menschen schafft.
9.The Central Park Five(Ken Burns et al. USA 2012): Eine Aprilnacht im New York City von 1989 sollte das Leben von sechs Personen verändern als eine 28-jährige Joggerin vergewaltigt sowie fast getötet und fünf Jugendliche für das Verbrechens zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurden. Nur dass sie unschuldig waren. Dokumentarfilmer Ken Burns, seine Tochter Sarah Burns und ihr Mann David McMahon geben in
The Central Park Five Einblicke in den Fall und die damalige Lage der Stadt.
8.Jeune & jolie(François Ozon, F 2013): Ähnlich wie in Luis Buñuels
Belle de Jour erzählt François Ozon von der Selbstprostitution einer schönen wohlsituierten Frau, in diesem Fall einer 17-Jährigen, die ihre Sexualität entdeckt hat.
Jeune & jolie wird dabei getragen vom unverbrauchten Spiel des 23-jährigen Models Marine Vacth und ist kein bloßes Pubertätsdrama. Vielmehr erzählt Ozon mittels subtilem Humor und nicht zu knapper Erotik gekonnt einen – zugegeben: ungewöhnlichen – Coming-of-Age-Film.
7.Poslednata lineika na Sofia(Ilian Metev, HR/BG/D 2012): Ist auf den Straßen eine Notarztambulanz unterwegs, kann jede Minute über Leben und Tod entscheiden. Ilian Metev begleitete in seinem Dokumentarfilm
Poslednata lineika na Sofia für zwei Jahre das einzige Reanimationsteam der bulgarischen Hauptstadt, welches mit widrigen Mitteln in Ausstattung wie städtischer Peripherie zu kämpfen hat. Dennoch lassen sich Notarzt Krassi, Krankenschwester Mila und Fahrer Plamen nicht unterkriegen.
6.Frances Ha(Noah Baumbach, USA 2012): Wer von uns kennt sie nicht, die Generation Praktikum, die unsicher durchs Leben wandelt und an sich nur an der
joie de vivre partizipieren will? Noah Baumbach präsentiert uns eine solche orientierungslose Figur in Person der bezaubernden Greta Gerwig, die vom Leben abgehängt worden zu sein scheint.
Frances Ha ist dabei ein filmischer Pilgerschritt, als hätte Woody Allen eine Doppelfolge von Lena Dunhams
Girls inszeniert. Der Feel-Good-Film des Jahres.
5.Alan Partridge: Alpha Papa(Declan Lowney, UK/F 2013): Rund 22 Jahre nach seiner Erschaffung lässt Steve Coogan sein inkompetentes Alter Ego, den Radio-Moderator Alan Partridge, auf die Kinozuschauer los. In
Alan Partridge: Alpha Papa wird die Kunstfigur in ein Geiselszenario geworfen – und missbraucht dieses sogleich als
“siege face” zur Reanimation ihres verlorenen Ruhmes. Herzlicher wird man 2013 nirgends lachen als bei dieser absurd-komischen Komödie von Regisseur Declan Lowney.
4.Tchoupitoulas(Bill Ross IV/Turner Ross, USA 2012): Selten hat man einen Film gesehen, der so harmonisch in seine Umgebung eintaucht und zugleich als Türöffner für das Publikum funktioniert wie
Tchoupitoulas. Die Brüder Bill Ross IV und Turner Ross entlassen in ihrem Kunstprodukt drei jugendliche Brüder in einen nächtlichen Ausflug ins French Quarter von New Orleans – das Ergebnis ist ein wahrer Erlebnisfilm, bei dem die Grenzen zwischen Fiktion und Realität miteinander verschwimmen.
3.La grande bellezza(Paolo Sorrentino, I/F 2013): Kaum jemand blickte derart gekonnt auf die High Society wie Federico Fellini. Diesem und seinem Meisterwerk
La dolce vita setzte Landsmann Paolo Sorrentino mit
La grande bellezza ein Denkmal. Ein audiovisueller Bilderrausch durch die Hautevolee Roms, der Fellini mit Terrence Malick vereint und einer verblichenen Zeit nachtrauert, während sich seine Figuren von Party zu Party hangeln und dabei selbst verlieren.
Una omaggia alla bellissima.2.Stoker(Park Chan-wook, USA/UK 2013): In seinem Debütskript ließ sich Wentworth Miller zwar von Alfred Hitchcock inspirieren, dennoch ist
Stoker, zugleich das US-Regiedebüt von Park Chan-wook, sein ganz eigener Herr. Die Coming-of-Age-Geschichte der Halbwaise India, angetrieben von ihrem mysteriösen Onkel, gefällt aufgrund ihrer lebhaften Figuren, allen voran jedoch durch Parks Mise-en-scène und Bildkomposition. Als Resultat wartet ein audiovisueller Hochgenuss – Alfred Hitchcock trifft
Dexter.
1.Spring Breakers(Harmony Korine, USA 2012): Mit
Spring Breakers legt Harmony Korine seinen unpersönlichsten und doch reifsten Film vor. Das Ergebnis sind avantgardistische Ideen, kombiniert mit Elementen des Arthouse-Kinos im Mainstream-Gewand. Der Film selbst kann dabei als Spiegelbild des Rezipienten gelesen werden, ist je nachdem „nur“ Sex, Drogen und Dubstep für die Facebook-Generation, unter der Oberfläche aber werden malicksche Themen behandelt.
Spring Break forever, y’all!